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Der goldene Greif

Der goldene Greif

Titel: Der goldene Greif
Autoren: Gabriel Galen
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Schon wölbte sich die breite Brust unter dem glatter we r denden Gefieder, und das noch jugendfalbe Fell des Leibes bekam allmählich seinen gold e nen Glanz. Samtige Hintertatzen entblößten im spielerischen Kampf mit dem ungleichen Bruder blitzende Krallen, während die Vorderklauen von schimmernden Hornplättchen übe r zogen waren.
    Schon übte er die riesigen Schwingen auf dem Rand des zu eng gewordenen Hor s tes, als ihn zum zweiten Mal der Pfeil eines Jägers der Mutter beraubte.
    Kreischend vor Schmerz und Wut hatte sich das Adlermännchen auf den Mörder gestürzt. Die scharfen Krallen in das Fleisch des Frevlers vergraben, zerrte es den Mann aus seinem sich e ren Stand auf dem Felsen. Doch zu Tode getroffen vom Dolch des Jägers, war der Adler mit seinem Opfer in die Tiefe gestürzt.
    Bald hallten die Klageschreie der beiden Jungtiere von den Felswänden wieder. Der Hu n ger wühlte in ihren Eingeweiden, und eng zusammengeschmiegt suchten sie Trost beiei n ander.
    Lange Zeit warteten die Verlassenen, doch das Adlerpaar kam nicht wieder. Immer matter wurden die Rufe der noch nicht flüggen Jungtiere. Schon fanden sie nur noch Kraft für ve r einzelte, flehende Rufe  -  doch jemand hatte die Stimmen g e hört!
     
    Durch die unwirtliche Bergregion, die nur selten eines Menschen Fuß betrat, suchte ein ju n ger Mann seinen beschwerlichen Weg. Er mochte erst wenig über zwanzig Sommer zä h len. Seine Gestalt war groß und kräftig, aber sein Gesicht und sein Körper waren von Str a pazen und Entbehrungen gezeichnet. Wangen und Kinn bedec k te ein jugendweicher Bart. Seine Kleidung war schmutzig, und durch zahlreiche Risse schimmerte die von der Sonne g e bräunte Haut. Das helle Haar hing ihm in unordentlichen Strähnen bis auf die Schultern ni e der. Über seinem Rücken trug er einen selbstgefertigten Bogen und einen Köcher aus H a senfell, in dem handgeschnitzte Pfeile steckten. Dies und ein langer Dolch im Gürtel bi l dete seine ganze Bewaf f nung.
    Trotz seines abgerissenen Äußeren hatte die Haltung des Jünglings etwas Edles, und die blauen Augen blickten stolz und trotzig. Seine Kleidung, so schäbig sie auch aussah, war aus feinem Material und von gutem Schnitt, und hier und da waren noch Stücke von gold e nen Litzen und Borten übrig. Das Schuhwerk paßte jedoch genau so wenig zu dem kostb a ren Stoff seines Anzugs wie Köcher und Bogen. Statt Stiefeln oder Schuhen hatte sich der junge Mann zwei Felle von Kaninchen mit der Fellseite nach innen um die Füße gewickelt und sie mit Ri e men aus demselben Material festgebunden.
    Diese mangelhafte Fußbekleidung schien den Jüngling jedoch wenig zu stören, denn er schritt geschwind über das Hochplateau, in dessen fast senkrecht abfalle n der Seitenwand sich der Adlerhorst befand. Nur wenige Schritte vom Abgrund en t fernt wanderte er auf das Ende des Plateaus zu, das sich zu e i nem Paß zwischen zwei Bergspitzen absenkte.
    Als der Mann sich der Stelle näherte, unter der in der Felswand die beiden dem Tod gewei h ten Jungtiere hockten, stieß der Greif einen klagenden Schrei aus. Bei diesem Ton fuhr der Jüngling zusammen, und seine Hand tastete nach dem Dolch. Suchend blickte er sich um, woher der Laut gekommen sein mochte. Doch nichts regte sich.
    Wieder schrie der junge Greif, als ob er die Nähe eines anderen Wesens spüren würde.
    Der Jüngling hatte nun die Richtung erkannt, aus welcher der Schrei gekommen war. Mit vorsichtigen Schritten näherte er sich dem Abgrund und spähte in die Tiefe. Er konnte j e doch nur den Rand des Horstes sehen, da der Rest von einem Fel s vorsprung verdeckt war. Deshalb legte er sich auf den Boden und schob sich so weit wie möglich vor. Das grenze n lose Ersta u nen über das, was er sah, malte sich auf seinem Gesicht ab. Da löste sich ein Stein von der Kante des Felsens und sprang scheppernd in die Tiefe.
    Die beiden Jungtiere im Nest hoben mühsam die Köpfe, und die flehenden Blicke aus den matten A u gen ließen das Herz des Jünglings vor Mitleid schmelzen.
     
    „Habt keine Angst! Ich werde euch helfen!“ rief er hinunter und sprang dann auf.
     
    Doch wie sollte er das anfangen? Der Horst lag gut fünf Meter unter dem Rand, und die gla t te Fel s wand bot keinerlei Halt zum Hinunterklettern.
     
    , Ich muß genau überlegen, dachte der Jüngling. ,Wie seltsam! Das ist doch ein ju n ger Greif da unten im Horst. Es muß einer sein, obwohl ich noch nie einen gesehen habe. Aber er sieht genauso aus,
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