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Der Glücksritter

Der Glücksritter

Titel: Der Glücksritter
Autoren: Hans Kneifel
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Traum? Oder war es das Abbild der Wirklichkeit?
    Mythor erwachte. Oder er glaubte zu erwachen. Vielleicht gaukelte ihm sein gequälter Verstand in der Form eines Traumes vor, dass er aufwachte.
    »Wo ist Pandor?«
    In der Folge der Gedanken, die einander in rasender Schnelligkeit ablösten, erschienen Dünen und Sonnen, Lichter und Dunkelheit, aber immer wieder schob sich das Bild in den Vordergrund, wie Luxon auf dem schwarzen Einhornhengst von der Lavabarriere in die Dünen hinuntergaloppierte.
    Durch dieses Chaos hindurch spürte Mythor, dass etwas mit seinem Gesicht geschah und etwas anderes mit seinem Oberkörper.
    Es war, als wachse in dem Gewebe der gebräunten Haut etwas heran. Ein unerträglicher Juckreiz überfiel ihn, und in seinen Visionen erlebte er mit, wie er sich mit krallenartigen Fingernägeln die Gesichtshaut zerfetzte. Der Schmerz machte ihn rasend, aber es kitzelte, schwärte und juckte immer noch. Es war, als habe irgendein fremdes Etwas in seinem Gesicht Platz genommen und breitete sich dort aus. Es wuchs und wuchs, wurde größer und mächtiger.
    Eine neue Vision.
    »Wo ist Hark, der Bitterwolf?«
    Das letzte Bild, das Mythor in seinen wirren Träumen immer wieder sah, war der Ausdruck auch dieses Verrates. Nach Pandor, der diesem Schurken Luxon willig gehorchte, hatte auch Hark sich dem wahren Sohn des Kometen angeschlossen. Er sicherte den Weg Luxons, wohin auch immer er führte. Oder doch nicht? Die Geräusche eines Kampfes zwischen den Tätowierten, dem flügellahmen Schneefalken und dem Wolf schoben sich in Mythors zitternde Erinnerungen. Die Wilden… waren sie wirklich oder auch nur ein Bestandteil seines Traumes?
    In Wirklichkeit lag der falsche Sohn des Kometen auf der Lavabarriere und würde in der bald hereinbrechenden Nacht von den wilden, beutegierigen Bestien entdeckt und zerfleischt werden. Alle Anstrengungen, Kämpfe und Zweifel waren vergeblich und sinnlos gewesen!
    Mythor wusste, dass einer der tiefsten Punkte in seinem Leben erreicht war – JETZT. Ein Traum? Oder die Realität?
    »Wo bin ich?«
    Er entsann sich der Menge von mittelgroßen, über und über tätowierten Wilden, die um ihn herumstanden und ihn anstarrten, als sei er ein Wunder.
    Dann träumte er von Fronja, dem unbekannten Ziel seiner Wünsche und seiner Sehnsucht. Immer wieder sah er sie vor sich, wie ihre Finger ihn berührten und sein Gesicht streichelten. Aber ebenso oft sank er wieder zurück in die Tiefen seiner Erschöpfung. Hier, wo er lag, war es wunderbar dunkel und kühl. Nur wenige Lichter wanderten immer wieder rund um ihn herum, tauchten auf, erloschen wieder.
    »Fronja!« stöhnte er.
    Er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Irgendwann wachte er auf und sah sich um. Die Schmerzen in seinem Schädel erinnerten ihn wieder daran, was geschehen war. Augenblicklich überfiel ihn der Schrecken. »Alles verloren!«
    Er sah, dass er sich in einem Gewölbe befand. Die Wände bestanden aus schwarz glänzendem Lavagestein, und viele Säulen wirkten so, als wären sie von der Wut der unterirdischen Kräfte geformt worden, nicht von Menschenhand. An vielen Flächen befanden sich, ineinander verlaufend, dieselben magischen Zeichen und Tiere, die er draußen in der Wüste gesehen hatte, zwischen den Fumarolen und Kratern.
    Er fühlte einen zweiten Schmerz.
    Aber es war kein stechender Schmerz, sondern mehr ein unangenehmes Gefühl, wie von einer fast verheilten leichten Wunde. Seine Finger fuhren ziellos umher und erstarrten, als er den Wilden sah, der zu seinen Füßen stand. Die Fingerspitzen berührten die Brust, und erst jetzt merkte Mythor, dass er halb nackt war. Er lag auf einem Lavablock, über den man Tierfelle und weiches Leder geworfen hatte.
    »Wo bin ich?« fragte er.
    Der Wilde öffnete seinen Mund zu einem Grinsen und zeigte schwarze, zugefeilte Zähne. Auch er war am ganzen Körper mit Tätowierungen bedeckt. Er hielt einen Gegenstand in der kurzfingrigen Hand, der an einen kurzen, großen Kamm aus zusammengebundenen Holzsplittern erinnerte. Die Spitzen waren dunkelblau oder schwarz.
    Der Wilde gab einige summende und brummende Laute von sich und kam näher auf Mythor zu. Unter den Fingerspitzen spürte Mythor vertrocknetes Blut. Er richtete sich auf und unterdrückte, so gut es ging, einen Schwindelanfall.
    »Was… was habt ihr mit mir gemacht?« fragte er heiser und erkannte durch das Dröhnen in seinem Schädel seine eigene Stimme nicht mehr. Wieder lachte der Wilde und winkte nach rechts und
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