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Der Glücksritter

Der Glücksritter

Titel: Der Glücksritter
Autoren: Hans Kneifel
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riesigen Loch wallten Staub und Dampf in die Höhe. Sofort änderten die Männer ihre Richtung. Und nach kurzer Zeit, als er mit den Augen den Flug einer mittelgroßen Echse verfolgte, sah Mythor, was Luxon gemeint hatte. Pandor blieb stehen.
    »Dort! Das Abbild eines Käfers!« rief Mythor unterdrückt durch das Zischen und Fauchen der Fumarolen.
    Sie sahen es deutlich vor sich. Zwanzig Schritt entfernt, auf der glatten Fläche eines kantigen Lavawürfels, war unverkennbar der Umriss eines Käfers abgebildet. Mit einem Werkzeug hatte jemand tiefe Linien hineingeschabt und punktförmige Löcher herausgeschlagen. Das Tier war vier- oder fünfmal größer als in der Natur, und von einer Ecke der Fläche deutete ein Strich – war es ein Pfeil oder die Darstellung eines Speeres? – in die Mitte des runden Rückenpanzers.
    »Das haben Menschen gemacht!« sagte Luxon voller Verwunderung.
    »Ausgeschlossen«, gab Mythor zurück und zog sein Schwert, das er vorübergehend in die Schlaufe am Löwensattel geschoben hatte. »Hier lebt niemand und nichts außer diesen Bestien.«
    »Vielleicht sind die Abbildungen schon alt?«
    »So muss es sein«, knurrte Mythor und schüttelte sich. Er hatte vor sich in einem Spalt eine undeutliche Bewegung erspäht. Er gab Luxon einen Wink, und sein ungeliebter Kampfgefährte zog langsam einen Pfeil aus dem Mondköcher. Aus einem Mondköcher, der ihm nicht zusteht, dachte der dunkelhaarige Krieger und fluchte lautlos in sich hinein.
    »Sie kommt näher.«
    Eine riesige Echse strich dicht über Nebel und Dampfwolken über das Tal. Die sichelförmigen Schwingen bewegten sich nur wenig. Der schauerliche Kopf drehte sich hin und her – das Tier suchte Beute.
    Dann geschah etwas Sonderbares. Ein hohles, unterirdisches Summen und Brausen wurde lauter. Wieder zitterte der Boden. Der Steinwürfel mit der eingravierten Zeichnung fiel um, kollerte, eine tiefe Spur im Staub hinterlassend, den leichten Hang hinunter und verschwand in einer Bodenspalte voller kochender Lava. Ein scharfes Heulen spaltete den Nebel. Aus einer unsichtbaren Öffnung im Staub zischte ein Strahl hervor, halb Dampf, halb Wasser.
    »Ein Geiser!« schrie Luxon, der den Pfeil auf der Sehne hatte und mit den Augen den Flug der riesigen Echse verfolgte.
    Mythor wusste, dass er die Fähigkeit besaß, Menschen schnell und meist richtig einzuschätzen. Er hatte einen sicheren Blick und war bisher kaum einmal wirklich enttäuscht oder überrascht worden. Aber Luxon entzog sich allen gängigen Beurteilungen. Er war kräftig, ausdauernd, schnell und außerordentlich mutig. Man konnte ihn kühn nennen, ohne fehlzugehen. Andererseits schien die gesamte Welt nur um ihn zu kreisen; er nahm, ohne zu geben, und er selbst war sich stets und in jeder Hinsicht das Wichtigste.
    Er war wie ein Kind, überlegte Mythor, das noch nicht gelernt hatte, dass ein einzelner Mensch immer nur ein Teil eines höheren Ganzen war. Und dabei konnte niemand Luxon-Arruf wirklich böse sein, denn sein jungenhaftes, harmlos-unschuldiges Lächeln schlug jeden in seinen Bann. Fast jeden. Mythor war dagegen immun. Hingegen war er sicher, dass für Luxon kein Gesetz, kein Versprechen und kein Schwur jemals gelten würde. Unbedenklich brach er jede Vereinbarung, wenn es zu seinem Vorteil war.
    Mythor, sagte er sich, sei auf der Hut. Die Auseinandersetzung ist noch lange nicht entschieden.
    »Ja, es ist ein Geiser«, sagte er, als aus dem Krater ein mächtiger Wasserstrahl mindestens sechzig Mannslängen in die Luft schoss. Das Röhren und Fauchen erfüllte die vulkanische Landschaft und machte seine Worte unhörbar. An der Spitze blähte sich das Wasser pilzförmig auseinander, und ein schwacher Wind verteilte es in weitem Umkreis. Ein Wasserschleier prasselte auf Pandor, Luxon und Mythor nieder, und der Krieger merkte, dass es weder giftiges Wasser war noch dass es stank oder nach Schwefel schmeckte.
    Die Flugechse steuerte mit plötzlich schnelleren Flügelschlägen mitten auf die riesige, auseinanderbrechende Fontäne zu. Sie schien von dem Wasser magisch angezogen zu werden. Aber auch Mythor und Luxon änderten abermals die Richtung und versuchten, in den Bereich des Regens zu kommen, der schräg auf die Lavaplatten herunterpeitschte und jedes Staubkorn von den glasähnlichen Flächen spülte.
    Gierig, in einer Art Rausch, zog die Echse am obersten Punkt des aufstiebenden Wassers ihre Kreise.
    Im Nu waren die beiden Männer und die Tiere triefend nass. Das Wasser war
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