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Der Glücksritter

Der Glücksritter

Titel: Der Glücksritter
Autoren: Hans Kneifel
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Blatt stülpte sich nach unten und hing leblos vor der nächsten Öffnung. Mythor holte, während er das Schwert schwang und abermals große Stücke aus dem lederähnlichen Material herausschlug, den zweiten Samenzapfen hervor. Er schleuderte ihn dorthin, wo Luxon baumelte und strampelte, und die Fangarme wurden schlaffer und weicher. Der Körper Luxons sank an der Seite des Dinges herunter.
    Wieder starb ein Reiter, der sich gegen die Echsen wehrte und zu spät erkannte, dass er von den Fangarmen umklammert war.
    Die Farbe der Blätter und Ranken änderte sich dort, wo die Zapfen in die Riesenpflanze eingedrungen waren. Aus dem stumpfen Grün wurde binnen kurzer Zeit ein fleckiges Braungelb. Immer wieder schlug Mythor mit dem Schwert nach den Flugechsen und den langen, klebrigen Fäden, die mit krachenden Geräuschen von der Pflanze abgeschossen wurden.
    »Hilf mir, Mythor!« röchelte Luxon von oben.
    Mythor schleuderte den dritten und vierten Samenzapfen in die nächsten Rachenöffnungen der Pflanze. Einige Flugechsen wurden aus der Luft gerissen und verschwanden in den Dornenmäulern. Wieder bewies ein dumpfer Fall, dass ein Krieger aus dem Sattel gerissen worden war.
    Ein Hieb Altons kappte das letzte Pflanzentau, das Luxon noch umklammert hielt. Der Mann löste sich aus den klebrigen Schlingen, schlug schwer gegen die Seite des Räubers und rutschte über das Geröll abwärts. Den Sternenbogen hatte er fest umklammert gehabt, und die Schlingen hatten ihn an Luxons Körper gepresst. Mythor schrie: »Achtung! Der Dornenschlund!«
    Gleichzeitig warf er den fünften Zapfen dorthin, wo sich eben das Maul öffnete, um Luxon zu verschlingen. An mindestens vier Dutzend Stellen zog die Pflanze die zappelnden Flugechsen aus der Luft und fütterte damit die eigenen Mäuler. Mit einem riesigen Satz sprang Mythor zurück zu Pandor und dem Bitterwolf.
    Luxon kam auf die Beine und stolperte in Mythors Richtung.
    Als Mythor sich umblickte, musste er erkennen, dass er mit Luxon allein war. »Sabesch!« schrie er.
    Einige tote Pferde lagen am Fuß des Ringes aus Asche und Felstrümmern. Waffen steckten zwischen den Brocken. Aber hier befand sich kein lebender Mann mehr. Mythor rannte in großem Abstand einmal um das gewaltige Ding herum, aber er fand nur die Spuren eines erbarmungslosen Kampfes.
    Erschüttert schlug er die Hände vor sein Gesicht und stapfte durch kochendheiße Asche zurück zu Luxon. »Ich kann nicht sagen«, murmelte er, »dass ich dich gern gerettet habe.«
    Luxon wischte sich Staub und Schweiß aus dem Gesicht und lächelte vage. »Ich danke dir trotzdem. Hören wir mit dem Kampf auf, bis wir aus dieser Hölle entkommen sind.«
    »Ich traue dir keine zwei Schritte weit!« sagte Mythor.
    »Trotzdem bleibt uns nichts anderes übrig. Ich habe nichts zu trinken.«
    Mythor hob die Schultern. »Keine Vorräte?«
    »Mit meinem Pferd irgendwo dort verschwunden. Ich hole mir, was ich brauche.«
    Mythor legte seinen Arm um Pandors Hals und ließ sich von dem Tier aus der Gefahrenzone schleppen. »Was wir hier finden, wird nicht gerade nahrhaft sein«, schränkte er ein. »Alle meine Reiter aus Leone! Sie sind tot!«
    »Oder sie haben sich betäuben lassen und irren umher. In welcher Richtung ist Norden?« fragte Luxon laut.
    Mythor suchte hinter den Schleiern und kochenden Dampfwolken die Sonne. Sie stand hoch über ihren Köpfen. Dort drüben, höchstwahrscheinlich, war sie am Morgen gewesen, also war Norden…
    »Dort ist Norden!« sagte er.
    »Das müsste der kürzeste Weg aus der Todeszone hinaus sein«, meinte Luxon. »Übrigens, was unsere Gegnerschaft betrifft – ich habe nicht das geringste gegen dich. In meinen Augen bist du ein fabelhafter Kämpfer, eine Spur zu edel und zu uneigennützig, aber sonst ganz brauchbar.«
    »Sollte das etwa eine Erklärung der Freundschaft sein?« fragte Mythor, während sie sich mit schleppenden Schritten zwischen den Kegeln über die Ebene tasteten.
    »Halte es damit, wie du willst. Aber ich werde mir auch weiterhin aus den Fixpunkten des Lichtboten holen, was ich brauche.«
    »Zumindest einer hindert dich daran!« versicherte ihm Mythor grimmig und reichte ihm den Wasserschlauch. »Nämlich ich!«
    Er fragte sich, ob wohl aus den verdorrenden Resten der Riesenpflanze irgendwann ein anderer Baum des Lebens wachsen würde. Er schaute über die Schulter, und er musste erkennen, dass das Pflanzenmonstrum mit deutlich schwächeren Kräften und langsameren Bewegungen die Reste des
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