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Der Glücksritter

Der Glücksritter

Titel: Der Glücksritter
Autoren: Hans Kneifel
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nicht vom Weg abkommen.«
    Abudirgs Augen funkelten. Der schwarze Bart um Kinn und Nase, von silbernen und grauen Fäden durchzogen, ließ sein Antlitz kantig und hart erscheinen. Er schluckte seinen Ärger hinunter und rief über die Schulter: »Wenn du mir misstraust, kannst du dich an die Spitze der Karawane setzen, mein fettleibiger Herzensfreund.«
    Einige Tiere prusteten und wieherten protestierend. Die Männer lachten rau. Hinter den Schleiern der Sklavinnen ertönten kichernde Laute.
    Markib erzeugte mit seiner langen Peitsche eine Reihe von aufmunternden Geräuschen und keifte: »Bisher hat uns Abudirg gut geführt. Gegen die schwarzen Wolken sind wir machtlos, Wachid. Du kannst uns heute abend am Lagerfeuer wieder mit deinen erlogenen Erlebnissen ergötzen. Gib Ruhe!«
    Die Karawane bewegte sich weiter auf dem sandverwehten Pfad. Im Augenblick ritten sie nach Osten, auf das Karsh-Land zu. Aber die Piste wand sich in Schlangenlinien entlang der Geröllzone der Wüste zwischen Rukor und der Straße des Bösen dahin.
    Der Tag war erst einige Stunden alt. Und jedesmal, wenn Abudirg vor und über der hochkletternden Sonne die langgezogenen Wolken ansah, dachte er an diesen Schurken, der ihn zwang, für alte Schulden und einen verbrecherisch hohen Zins zu arbeiten. Diese Strapazen hätte er sich sparen können. Er klopfte seinem Pferd den Hals. Das Tier sollte unter den kurzen Wutanfällen nicht leiden. Dann zog er den Schleier wieder bis unter die Augen und fluchte innerlich. Ohne dass es jemand hörte, murmelte er: »Eines Tages erwische ich ihn. Und dann wird er für die Galeere zahlen. Mit Zins und Zinseszins!«
    Er warf einen verkniffenen Blick auf die gekrümmten Bögen irgendwelcher Rippen, die aus dem Sand hochragten wie die weißgebleichten Stämme uralter Gewächse.
    Weit hinter ihm stieß ein Maultier eine Reihe blökender, grässlicher Schreie aus. Abudirg zog die Schultern hoch und fluchte wieder.
    *
    Die Geräusche wiederholten sich immer wieder. Das dumpfe Trommeln von zwölf Pferdehufen. Das Knarren und Knirschen der ledernen Sättel und das feine Klirren der Sporen und der Waffen. Das keuchende Fauchen, mit dem die Pferde die Luft einsogen und ausstießen. Das leise Rascheln des Sandes, den ihre Hufe aufwirbelten.
    Luxon, Kalathee und Samed saßen nicht mehr in den Sätteln. Sie stemmten ihre Stiefel in die Steigbügel und federten die Stöße der Pferderücken in den Knien ab. Ihr Vorsprung, den sie vor Mythor gewonnen hatten, war mehr und mehr geschrumpft.
    Schräg vor Kalathee und Samed ritt Luxon. Es war absolut sicher, dass der König von Leone längst mit ausgesuchten Kriegern die Verfolgung aufgenommen hatte. Sternenbogen und Mondköcher waren wichtige Waffen, und es mochte lange dauern, bis auf dieser Welt wieder Waffen dieser Art gefunden wurden.
    Luxon lächelte kühl; er besaß den Köcher und den Bogen. Sie schlugen bei jedem Heben und Senken des Pferderückens gegen seine Schultern. Luxon drehte seinen Kopf und blickte durch die vielfarbigen Federn der Pfeilschäfte nach hinten. »Sie fallen zurück«, sagte er leise zu sich. »Sie werden mir lästig!«
    Gedanken, Überlegungen, Wünsche und Vorstellungen wirbelten in seinem Kopf umher. Besonders der Junge war ihm ein Klotz am Bein. Aber es gab keine Möglichkeit, sich ihrer auf gute Weise zu entledigen – und Luxon hasste es, Menschen einfach im Stich zu lassen, die ihm genützt und geholfen hatten und die er benutzt hatte. Es war besser, ihnen noch einige Zeit lang die Treue zu halten.
    In der Wärme des Tages wehten seine fast weißgebleichten Haare. Er wusste, dass ihn der Junge und diese hellhäutige Frau vergötterten; noch nie in seinem Leben, so meinte er, hatte er solch treue Gefolgsleute gehabt. »Aber«, Luxon stieß jedes Wort im Rhythmus des dahin-galoppierenden Reittiers aus, »welche Wahl habe ich wirklich?«
    Sie waren schlecht ausgerüstet. Ihre Vorräte an Wasser und Nahrungsmitteln reichten in dieser Wüstenei außerhalb der Stadt Leone bestenfalls zwei oder drei Tage. Er kannte diesen Teil der südlichen Welt nicht sonderlich gut, und schon gar nicht kannte er die Lage von Wasserstellen oder Oasen. Er wusste nur, dass die Vulkanwüste voller Drachen, seltsamer Pflanzen und fliegender Bestien war. Sie ritten jetzt etwa die Grenzlinie entlang, die den Norden vom Süden Salamos’ trennte.
    Luxon zwang sich, das hinter ihm Liegende zu vergessen. Er richtete seine Gedanken auf die unmittelbare Zukunft. Er musste den
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