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Der gläserne Wald

Der gläserne Wald

Titel: Der gläserne Wald
Autoren: Reinald Koch
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aufheben. In winziger Berührung verschmelzen Schmerz und höchste Wonne zum gleichen Glück. Die Welt schwindet, zerstiebt – fast unauffällig – zu nebelhafter Helligkeit. Dabei bleibt eine Insel im Geviert, in der sie mich ansieht und ich sie.
    Anbetend gaffend, in immer stärkeren Bann geschlagen, knie ich und recke meine Arme.
    »Steh auf!« sagt sie plötzlich heftig. Ich fahre in die Höhe und entsetze mich über mein Benehmen, nach dem ich sicher ihre Gunst verloren habe. Kaum traue ich mich, ihr ins Gesicht zu sehen.
    Die Welt ist wieder da und steht um mich herum. Ich will nicht wissen, was sie denken!
    Doch sie fährt mit weicher Stimme fort: »Ich wollte dich nicht kränken, Erhabener Vater der Stadt, Tolt, Regent von Zaina. Es ziemt sich nicht«, und dabei sieht sie mich eigentümlich an, »dass die Witwe des Fürsten den Regenten tadelt; er könnte sie sonst von der Mauer stürzen. Verzeih der Hohen Gemahlin und tadle Fren!«
    Ehe ich verstehen kann, was sie meint, wendet sie sich von mir ab. Ich beeile mich, zu sehen, wohin auch sie sieht.
    Ach, der Adaporianer! Ich habe gar nicht mehr an ihn gedacht. Anscheinend ist er wieder bei vollem Bewusstsein, denn er lehnt an seinem kleinen Himmelswagen und betrachtet die Hohe Gemahlin ängstlich und aufmerksam.
    »Ich nehme an, Erhabener, dass dieser dürftig gekleidete Fremde der Grund war, dessentwegen du mich warten ließest.«
    Sie weiß nicht, dass Athmiral jedes Wort versteht. Doch bevor ich eingreifen kann, beugt sie sich ein wenig zu ihm hinab und berührt ihn mit dem Federzepter an der Schulter.
    »Du riechst schlecht! Und einen erlesenen Geschmack zeigst du auch in der Wahl deiner Gewänder nicht. Die Farbe ist recht putzig, aber man muss hinschauen, das ist wahr!«
    Mir ist es auch aufgefallen: Der Mann ist etwa so wie Thomal gekleidet, nur ist sein Anzug aus einem billigeren Material, das aussieht wie ein gewöhnlicher Wollstoff, und es leuchtet in einer ganz widerwärtigen Farbe, für die ich gar keinen Namen weiß. So als hätte ein miserabler Färber Hellrot und Hellblau gemischt und an manchen Stellen noch etwas Grünliches hineingetan. Eine rechte Leichenfarbe.
    Wie soll ich der Hohen Gemahlin jetzt erklären, dass der Adaporianer unsere Sprache spricht? Vielleicht hat sie es längst gewusst und wollte ihn mit Absicht foppen.
    »Er nennt sich Athmiral und behauptet, Fürst der adaporianischen Truppen zu sein. Er ist so taktlos, dass ich geneigt bin, ihm zu glauben.«
    Ein rascher, erstaunter Blick der Hohen Gemahlin trifft mich, und da weiß ich sofort, dass ich dies gut gesagt habe. Als sie sich aber an den Fremden wendet, sagt sie mit beißendem Hohn: »Du willst ein Fürst sein – in Adapor? Du stinkst!«
    Und sie dreht sich so heftig zu mir um, dass sich das Cape weit öffnet und sich die Chtrißa wundersam an ihren Körper schmiegt.
    Einen Moment treffen sich unsere Augen. Die ihren blitzen zornig. Dann rafft sie das Cape um sich und fährt mich an, als sei ich schuld an allem: »Trau ihm nicht. Gib ihm nicht nach! Er mag wohl ein Fürst sein, wie er behauptet, doch sonst lügt er! Ich weiß, er lügt … frag nicht warum! – Ich erwarte dich in der Sommerresidenz von Ptolamära.«
    Nach diesen Worten schreitet sie zu ihrer Sänfte, die, wie ich erst jetzt merke, dicht hinter meinem Rücken gewartet hat.
    Versonnen schaue ich der Sänfte nach, wie sie von Wachsoldaten zu einem Fragon getragen wird. – Am liebsten möchte ich gleich nach Ptolamära aufbrechen und meinethalben diesen Athmiral mitnehmen. Auch dort wird man ja mit ihm verhandeln können.
    Ich sehe zu, wie man die Sänfte auf das Fragon hievt. Die Vorrichtung ist überaus sinnreich. Am Kopfgeschirr ist ein Seil befestigt. Das andere Ende des Seils greift mittels eines Hakens in eine Öse auf dem Dach der Sänfte. Auf ein Zeichen des Reiters senkt das Tier den Kopf, und über Hebel, Rollen und Seile schwebt die Sänfte zu ihrem Platz auf dem Rücken des Fragons.
     
    Wenn das Moam ein Mensch gewesen wäre, hätte Es bitterlich geweint, wie ein Kind weint, das sich am Abend in einer fremden Stadt verlaufen hat.
    Besorgt und hilfsbereit war das Moam in die Vergangenheit geeilt, um dort das Unglück abzuwenden, das sich in der Gegenwart ereignet hatte; Es griff hie und da in das Geschehen ein, ließ auf Adapor auch irgendwann ein oder zwei Seiner Verse liegen, hoffend, dass doch vielleicht eine jener poesielosen Intelligenzen daran Gefallen finden möchte. Doch längst hatte
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