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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition)
Autoren: Petra Schier
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«War Bardolf eigentlich sehr wütend, als Christophorus Euch die Wahrheit erzählt hat? Er hat nie ein Wort darüber verloren.»
    Jolánda drehte sich zu ihr um. «Er hat sich vor Lachen kaum halten können», antwortete sie grimmig. «Nachdem Christoph uns verlassen hatte, begann er zu lachen und hörte gar nicht mehr auf. Ich dachte schon, ich müsste Magister Bertolff holen.»
    «Er hat gelacht?»
    «Und wie!» Nun zuckte es auch um Jolándas Mundwinkel. «Bardolf mag Christoph. Wäre dem nicht so, hätte er nämlich unser Haus nicht lebend verlassen, das kannst du mir glauben.» Sie seufzte. «Wütend war dein Großvater. Ich glaube, wenn Bardolf ihn nicht beruhigt hätte, wäre er auf Christoph losgegangen.» Sie seufzte. «Ganz unrecht hätte er damit wohl nicht getan. Denn das, was Christoph jetzt vorhat, ist sehr gewagt. Kann er wirklich beweisen, dass er niemals ein Mönch gewesen ist?» Sie schüttelte zweifelnd den Kopf.
    «Er sagt, dass er es beweisen kann», erwiderte Marysa. «Ich vertraue ihm.»
    Langsam trat Jolánda auf Marysa zu. Sie legte ihr die Hände auf die Schultern. «Wann will er zurück sein?»
    Marysa stand ebenfalls auf. «Im Januar, hat er gesagt. Er will nur lange genug warten, bis seine Haare etwas nachgewachsen sind.»
    «So bald?» Jolánda runzelte die Stirn. «Ob die wenigen Wochen da einen so großen Unterschied machen werden? Ich bezweifele, dass er so einfach behaupten kann, er sei ein anderer. Jeder in Aachen kennt ihn!»
    Marysa schüttelte den Kopf. «Nicht jeder, Mutter. Er sagt, dass er und sein Bruder sich schon als Kinder zum Verwechseln ähnlich gesehen hätten.»
    Jolánda kräuselte die Lippen. «Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, Marysa. Mag sein, du liebst ihn. Aber ist er dieses Risiko wert?»
    Marysa lächelte zaghaft. «Ja, Mutter, ich fürchte, das ist er. Selbst wenn er es nicht wäre, könnte ich jetzt nicht mehr zurück.»
    Alarmiert über den merkwürdigen Ton in Marysas Stimme hob Jolánda den Kopf. «Warum nicht?»
    Marysa ergriff ihre Hand. «Ich bin schwanger.»
    «Ach du meine Güte!» Jolánda wurde blass. Dann zog sie ihre Tochter fest an sich; gleichzeitig trat ein grimmiger Ausdruck in ihr Gesicht. «Eines kannst du mir glauben, Marysa», sagte sie. «Sollte er es gewagt haben, dich und uns hinters Licht zu führen, wird er mehr zu befürchten haben als die Rüh .»

HISTORISCHE NACHBEMERKUNG
    Geschichtlicher Hintergrund
    Zwischen 1355 und 1414 wurde östlich an das Oktogon des Aachener Doms die gotische Chorhalle angebaut. Ihre Außenwand besteht weitestgehend aus Fenstern. Die mehr als 1000 Quadratmeter Glasfläche waren als «Glashaus», als gläserner Reliquienschrein für die Aachener Heiligtümer und die Gebeine Karls des Großen, konzipiert.
    Die großen vergoldeten Schlusssteine der Chorkuppel sind mit plastisch ausgearbeiteten Figuren verziert (u.   a. Karl der Große, Maria, Jesus) und haben mich ursprünglich auf die Idee zu der vorliegenden Geschichte gebracht.
    Im Januar 1414, zur Feier des 600. Todestages Karls des Großen, wurde die Chorhalle von Weihbischof Heinrich von Sidon eingeweiht. Zu dieser Zeit dürfte das mächtige Bauwerk längst nicht vollendet gewesen sein. Vor allem die Innenausstattung und die großen Glasfensterflächen befanden sich wahrscheinlich noch im Aufbau.
    Zehn Monate nach der Einweihung wurde König Sigismund im Aachener Dom feierlich gekrönt. Zwar hatte er den römisch-deutschen Thron bereits 1411 bestiegen, doch erst im Vorfeld des von ihm und Papst Johannes   XXIII. einberufenen Konstanzer Konzils hielt er es für angebracht, sich rechtmäßig krönen zu lassen, um seine Position als Herrscher zu stärken.
    Indes versuchte der Paderborner Erzbischof Wilhelm von Berg, ebenjene Krönung zu hintertreiben, weil er das Ziel verfolgte, Erzbischof von Köln zu werden. Sigismund unterstützte seinerseits nämlich Dietrich von Moers, den Neffen des alternden Kölner Erzbischofs Friedrich   III. von Saarwerden. Er hielt außerdem zum Gegenpapst Johannes   XXIII., während Wilhelm zu Papst Gregor stand. Das Konzil in Konstanz sollte neben einigen wichtigen Reformen auch endlich das abendländische Schisma beenden, aber dies hätte Wilhelms Pläne zusätzlich erschwert. Trotz aller Bemühungen scheiterte er. Im Mai 1414 wurde nicht nur Dietrich zum neuen Kölner Erzbischof gewählt, sondern schon im Folgejahr konnte er seinerseits das Bistum Paderborn erwerben.
    Die Auseinandersetzungen zwischen
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