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Der gewagte Antrag

Der gewagte Antrag

Titel: Der gewagte Antrag
Autoren: Paula Marshall
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an. “Aisgill, was ist geschehen?”
    Nun wurde er sich der Neugierigen bewusst, die sich um ihn geschart hatten, während er mit dem Verwalter stritt. “An die Arbeit, Jungen!”, herrschte er die Stallburschen an, wandte sich dann an die Countess und wies auf einen Mann, der jetzt, nachdem die Gaffer sich sichtlich unwillig zerstreut hatten, auf der Treppe zur Unterkunft zu sehen war. “Dieser arme Kerl dort wurde vorhin von Mr. Outhwaite aus Overbeck zu uns gebracht”, erklärte er. “Er hat ihn auf dem Weg nach Campions angetroffen. Der äußeren Verfassung des Mannes nach zu urteilen, muss er auf Händen und Knien durchs Moor gekrochen sein. Mr. Outhwaite nahm an, dass Sie, Mylady, dem Bedauernswerten beistehen würden, da Sie solchen Unglücklichen oft Hilfe angedeihen und sie manchmal bei uns arbeiten ließen.”
    Elinor betrachtete den Fremden. Er war kräftiger als jeder der untersetzten Einheimischen, die ihn zuvor umringt hatten. Seine vollen schwarzen Locken waren unordentlich, und Wangen und Kinn bedeckte dunkler Bartwuchs. Die Kleidung war zerrissen und so ärmlich, dass Mr. Outhwaite ihm eine alte Decke um die breiten Schultern gelegt hatte. Er fröstelte dennoch, denn seine Füße waren bloß und bluteten. Plötzlich richtete er den Blick auf Elinor, und sie sah, dass er blaue, fiebrig schimmernde Augen hatte, deren Ausdruck beinahe herausfordernd auf sie wirkte.
    “Mr. Henson wird mir bestimmt wieder vorhalten, dass wir nicht jeden Herumlungernden bei uns aufnehmen können”, fuhr Stuart grimmig fort, “aber ich meine, den Ärmsten dort können wir nicht abweisen. Er muss halbverhungert sein, denn er hat auf Mr. Outhwaites Wagen eine Steckrübe aufgegessen, als habe er tagelang nichts Nahrhaftes bekommen. Vermutlich ist er etwas einfältig, denn er kennt nicht einmal seinen Namen.”
    “Das stimmt nicht”, murmelte der Mann, die Augen fest auf die Countess gerichtet. Er schien einen Moment mit sich zu kämpfen und murmelte dann etwas, das wie Chad klang.
    “Mehr nicht? Nur Chad?”, wunderte sie sich. “Fragen Sie ihn, Aisgill, wie sein Familienname lautet.”
    Stuart befragte ihn, erntete jedoch nur ein verwirrtes Kopfschütteln. “Er weiß den Namen nicht”, teilte er Ihrer Ladyschaft mit. “Nur, dass er Chad heißt. Wie Mr. Outhwaite uns berichtete, hat dieser Chad auch keine Ahnung, woher er stammt, noch wo er sich hier befindet.”
    “Auf mich macht er nicht den Eindruck eines Schwachkopfes”, erwiderte Elinor.
    “Mr. Henson meinte, der Mann sei nicht zur Arbeit tauglich und nur ein weiteres Maul, das es zu stopfen gälte”, sagte Stuart ärgerlich.
    “Er soll mir seine Hände zeigen!”, forderte Elinor spontan.
    Chad schaute sie wieder an, streckte dann lächelnd die Hände aus und fragte in beinahe unverfrorenem Ton, der in krassem Gegensatz zu seinem vorherigen unsicheren Verhalten stand: “Nun, sind sie gut genug zum Arbeiten?”
    Jäh spiegelten sich Verwirrung und Zweifel in seiner Miene, und unversehens ließ er den Kopf hängen. Elinor betrachtete seine aufgeschürften, blutigen Hände und die eingerissenen, abgebrochenen Fingernägel. Das waren die Hände eines Mannes, der hart mit ihnen arbeiten musste. Die Art, wie er sprach, ließ jedoch vermuten, dass er kein Tagelöhner war. Wieder fing Elinor einen Blick von ihm auf, ehe er die Lider senkte und seine Miene starr wurde. Der Ausdruck, mit dem er sie angeschaut hatte, war seltsam bezwingend, beinahe verlangend gewesen und übte einen merkwürdigen Reiz auf sie aus.
    “Er muss vor Kurzem einen Schlag auf den Kopf bekommen haben, oder er ist schwer gestürzt”, meinte Stuart nachdenklich. “Außerdem hat er eine schlecht verheilte Wunde an der Schulter.”
    “Bringen Sie ihn in das Quartier über den Stallungen, Aisgill”, erwiderte Elinor kurzentschlossen. “Wascht ihn, gebt ihm zu essen und sorgt für anständige Kleidung. Falls er krank ist, soll Dr. Ramsden sich um ihn kümmern. Sobald er gesund ist, kann er als Stallbursche bei uns tätig werden. Erst gestern haben Sie mir doch erklärt, Sie hätten nicht genügend Leute.”
    Chad hob den Kopf und sah die Dame an. Ihre Haltung war aufrecht und doch anmutig. Sie trug eine hellbraune Jockeymütze, eine gleichfarbige Spenzerjacke und ein flaschengrünes Reitkleid, unter dem glänzende Stiefelspitzen hervorlugten. “Wer sind Sie?”, erkundigte er sich dreist.
    “Wahre den Respekt!”, herrschte John Henson ihn zornig an.
    “Er hat es nicht
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