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Der gewagte Antrag

Der gewagte Antrag

Titel: Der gewagte Antrag
Autoren: Paula Marshall
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erinnern zu können, doch ich bin überzeugt, Madam, dass er früher bei der Kavallerie gewesen sein muss. Er versteht etwas von Pferden und hat zudem eine große Narbe auf der Brust. Wahrscheinlich ist er ein Soldat, für den es nach dem Krieg keine Verwendung mehr gab und der seit der Entlassung harte Zeiten durchgestanden hat. Für uns war es gut, ihn aufzunehmen.”
    Elinor hatte ebenfalls diesen Eindruck. Rajah, der stattlichste Hengst des ganzen Gestüts, war von unberechenbarem Wesen, und die meisten Stallknechte fürchteten sich davor, ihn an der Longe zu führen, ganz zu schweigen davon, ihn zu reiten.
    Chad hatte den Rappen in die Mitte der Reitbahn geführt und ließ ihn auf der Stelle treten. Der Hengst zeigte deutlich seinen Unwillen bei dieser Übung, doch Chad sprach besänftigend auf ihn ein und behielt ihn fest an der Kandare.
    Fasziniert von der meisterhaften Art, wie er mit Rajah verfuhr, beobachtete Elinor ihn und äußerte nach einer Weile bewundernd: “Welche Kraft dieser Mann hat, und welche Ausdauer!”
    “Ja, das stimmt”, bestätigte Stuart etwas überrascht. Obgleich Ihre Ladyschaft im Allgemeinen großen Anteil an den in der Reitschule gemachten Fortschritten nahm, hatte sie indes noch nie so viel Interesse bekundet. “Aber ich meine, es wird Zeit, dass Chad mit dem Training aufhört. Rajah scheint nervös zu werden.”
    Im gleichen Moment beendete Chad die Übung, lenkte den Rappen zum Stallmeister und saß ab. Den Rappen am Halfter haltend, verbeugte er sich vor Lady Malplaquet und sagte: “Für heute hat Rajah genug, Sir. Er sollte sich jetzt ausruhen.”
    Er benahm sich und sprach wie ein guter, beflissener Bediensteter, doch abgesehen davon, hatte er Elinors Meinung nach nichts Serviles an sich. Er trug die hübsche und dennoch zweckdienliche grüne Uniform der Reitknechte, die keine schmutzige Stallarbeit verrichten mussten, dazu polierte schwarze Stiefel, war rasiert, hatte jedoch wieder einen dunklen Schatten auf Kinn und Wangen. Die langen schwarzen Haare waren ihm mittlerweile gekürzt worden, nur eine Locke hing ihm in die Stirn. Das markant geschnittene Gesicht war keineswegs das eines Herumtreibers. Man konnte es zwar nicht unbedingt schön nennen, aber seine Ausstrahlung hatte etwas Bezwingendes. Die blauen Augen hatten einen leuchtenderen Glanz, als Elinor erinnerlich war. Sein Blick war auf sie gerichtet, nicht in aufdringlicher Weise, sondern eher kühl abwägend, als sei sie für ihn nur irgendeine Frau. Er war sehr groß, und das empfand sie als angenehm. Auch sie war hochgewachsen und überragte so manchen Mann, der in ihren Diensten stand. Ihn so vor sich zu sehen, breitschultrig, gut gewachsen und männliche Kraft verströmend, verspürte sie seltsame Regungen, ein Erlebnis, das ihr vollkommen neu war.
    Je länger sie ihn betrachtete, desto stärker wurden die eigenartigen Reize. Das Herz schlug ihr schneller, und sie fühlte sich merkwürdig beklommen. In Gedanken schüttelte sie den Kopf über sich selbst und ermahnte sich, mehr Beherrschung zu wahren. Es war absurd, beim Anblick eines kräftigen Reitknechtes, den man halbnackt im Moor aufgefunden hatte, so verwirrt zu reagieren wie ein naives Mädchen, das zum ersten Male mit einem Verehrer zusammen ist. Wiewohl sie keine Erfahrungen mit Männern hatte, bestand für sie kein Zweifel über den Grund der eigentümlichen Erregung, und sie war bemüht, sich den inneren Aufruhr nicht anmerken zu lassen.
    “Ich danke Ihnen, Mylady, dass Sie mich aufgenommen haben”, sagte Chad. “Ich glaube, andernfalls wäre ich elendiglich umgekommen.”
    Elinor fand den Klang seiner tiefen, vibrierenden Stimme bezaubernd und musste erneut um Fassung ringen. Sie neigte den Kopf und erwiderte in einem sie selbst erstaunenden ruhigen Ton: “Wenn Sie imstande sind, Rajah zu zähmen, dann ist Ihre Anwesenheit in Campions ebenso gut für uns wie für Sie.” Er lächelte, und sie sah ein weiteres Mal bestätigt, dass er, wer immer er sein mochte, ein anständig erzogener Mensch war. Vermutlich hatte Aisgill recht mit der Annahme, es handele sich um einen ehemaligen Kavalleristen.
    “Rajah wird von niemandem gebändigt werden”, entgegnete Chad überzeugt. “Nur, wenn man ihn spüren lässt, wer sein Herr ist, entschließt er sich hin und wieder, folgsam zu sein.”
    “Mr. Aisgill hat mir erzählt, dass er annimmt, Sie seien früher bei der Armee gewesen. Haben Sie keine Erinnerungen, die Ihnen helfen könnten, sich darüber
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