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Der gewagte Antrag

Der gewagte Antrag

Titel: Der gewagte Antrag
Autoren: Paula Marshall
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ihn gefreut hatte, ihr im Hippodrom wiederzubegegnen und sie so anerkennend über seine Arbeit mit Rajah sprechen zu hören. Es war ihm schwergefallen, sie nicht dauernd anzustarren, und oft hatte er den Blick abgewandt, weil er nicht aufdringlich erscheinen wollte. Aber er fühlte sich in einer Weise zu ihr hingezogen, die er sich nicht erklären konnte.
    Für eine Frau war sie von bemerkenswert hohem Wuchs, hatte jedoch eine wunderbare Figur und bewegte sich mit unnachahmlicher Anmut. Die gleiche Grazie legte sie an den Tag, wenn sie in vollendeter Haltung zu Pferde saß. Ihr Gesicht war nicht unbedingt schön zu nennen, doch irgendwie voller Reiz. Sie hatte hochgewölbte dunkle Brauen, herrliche graue Augen, eine schmale, schlanke Nase und ein Kinn, das auf Willensstärke hindeutete. Besonders beeindruckend war die Pracht der schimmernden kastanienbraunen Locken. Das bemerkenswerteste an ihr war in Chads Augen indes das Mitgefühl gewesen, das er in ihrem Blick entdeckt hatte, als er am ersten Tag auf eben dieser Treppe saß und Lady Malplaquet sich zu ihm herunterbeugte. Lächelnd hob er den Kopf und sah den Stallmeister auf sich zukommen.
    “Mylady braucht einen Reitknecht, der sie heute Nachmittag begleitet”, teilte Stuart ihm mit. “Sie sind inzwischen mit der Umgebung vertraut, Newcome. Satteln Sie Ihrer Ladyschaft Vulkan und nehmen Sie Rajah, falls Sie glauben, dass er sich gefügig anstellt. Er hat seinen täglichen Auslauf nötig, denn sonst benimmt er sich störrisch und reizbar.”
    Chad nickte, stand auf und ging in den Stall. Nachdem er das Zaumzeug aufgeräumt hatte, sattelte er den Hengst und den Wallach und begab sich anschließend in seine Unterkunft. Er wusch die Hände, setzte sich die Jockeykappe mit der grünsilbernen Kokarde auf und kehrte in den Marstall zurück. Ein Bursche brachte Vulkan in den Hof, während er selbst den Rappen hinausführte. Wortlos half er der wartenden Countess of Malplaquet auf den Rotfuchs, schwang sich dann auf den unruhig tänzelnden Rajah und ritt neben ihr in Richtung des bereits winterlich kahlen Moors.
    Mehr denn je hatte Elinor Sorgfalt auf ihre Garderobe gelegt und sich für ein dunkelblaues Reitkleid mit silbernen Knöpfen, einen schwarzen Zylinder mit duftigem Schleier und ein spitzenbesetztes Krawattentuch entschieden. Die Reitpeitsche war einst im Besitz des dritten Earl of Malplaquet gewesen und hatte einen besonders schönen, silberverzierten Griff. Tante Annabelle hatte sie verdutzt angeschaut und eine erstaunte Bemerkung über ihre elegante Erscheinung gemacht.
    Sie blickte zu Newcome hinüber und fand, dass er viel besser aussah als bei den beiden vorherigen Begegnungen. Er wirkte bei Weitem gelöster, und auch der gehetzte Ausdruck in seinen Augen war verschwunden. Es ließ sich nicht verkennen, dass er stolz auf seine Leistungen war.
    Elinor wählte stets denselben Weg für ihre Ausritte. Aisgill hatte ihr dazu geraten, da es sicherer für sie sei, wenn man genau wusste, wo sie sich befand. Am Ende des Ausfluges, einer unter dem Namen “Cairn” bekannten Felsengruppe, hielt sie an und forderte Newcome auf, ebenfalls abzusitzen und sich neben sie auf einen der großen, verstreut herumliegenden Steine zu setzen.
    Er zögerte, da die Anweisung ihn überraschte. Er hatte sich darauf eingestellt, neben den an zwei Bäumen angebundenen Pferden zu warten, denn er wusste, was sich für einen Reitknecht schickte. Es gehörte sich ganz und gar nicht, sich an der Seite Ihrer Ladyschaft niederzulassen. Doch ein Befehl war ein Befehl.
    Elinor amüsierte es, wie sehr Newcome mit sich rang und zwischen seinem Sinn für Anstand und dem Befolgen ihrer Bitte schwankte. Schließlich nahm er neben ihr Platz, und sie äußerte in beiläufigem, fast gelangweiltem Ton: “Ich wüsste gern, Newcome, ob Sie das Gedächtnis zurückerlangt haben.”
    Er schaute sie an und meinte, nie etwas Schöneres vor Augen gehabt zu haben. Aber seine Erinnerungen umfassten natürlich nur einen Zeitraum von vier Wochen. Doch heute war Ihre Ladyschaft, die sonst sehr einfach und schlicht gekleidet ging, wahrlich jeder Zoll die Countess of Malplaquet, und er wusste nicht, wie er sich ihr gegenüber zu verhalten hatte.
    “Noch ist mir über mich nichts erinnerlich, Mylady”, antwortete er stirnrunzelnd. “Mr. Aisgill hat mir berichtet, der Pächter vom Home-Gut habe mich zwei Tage, bevor Mr. Outhwaite mich nach Campions brachte, vor seinem Heuschober schlafend aufgefunden. Ich soll
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