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Der gestohlene Abend

Der gestohlene Abend

Titel: Der gestohlene Abend
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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Filme drehen?«
    »Nicht drehen. Produzieren.«
    »Aha. Wo ist da der Unterschied?«
    »Ganz einfach. Da ist das Geld. Und es sind nun mal die Produzenten, denen die hübschen jungen Schnecken auf den Schoß kriechen. Aber hör mal...« Er schaute auf seine Armbanduhr. »Wir fahr'n jetzt gleich runter ans Meer. Ein paar Jungs, gute Freunde von mir. Ein paar Bierchen kippen. Kommst du mit?«
    Ich dachte an Frederics »Schnecken« und meine knappen Finanzen.
    »Ich kann nicht. So viel Arbeit. Schau mal, ich schaffe das alles kaum.«
    »Ach was, heute ist Freitag. An einem Freitagabend arbeitet niemand. Freitag ist Partytag. Unten am Meer ist mächtig was los. Strandvolleyball, Musik, gute Stimmung.«
    »Mein Geld für diesen Monat ist noch nicht da«, erklärte ich ihm. »Ich bin fast blank, Frederic. Vielleicht nächste Woche.«
    »Geld? Du brauchst kein Geld. Da unten ist jetzt überall Happy Hour. Margaritas und Avocadodips bis zum Abwinken. Für fünf Dollar kannst du dir mit Hähnchenschlegeln und Tequila die Kante geben. Kein Witz, Mann. Also komm schon. Auf meine Rechnung.«
    »Das kann ich schon gar nicht annehmen.« Er schaute mich an, als hätte ich etwas Unanständiges gesagt.
    »Also gut«, sagte ich hilflos. »Ich komme mit, wenn du mir zwanzig Dollar leihst. Am Dienstag bekommst du sie wieder.«
    Er zog kopfschüttelnd ein Bündel Dollarnoten aus der Tasche und blätterte die Scheine durch.
    »Ich habe keinen Zwanziger«, sagte er und schob mir einen Fünfziger hin. Der Packen verschwand wieder in seiner Hosentasche, ohne erkennbar an Umfang verloren zu haben. Ich schaute unbehaglich auf den Schein. Was wollte ich überhaupt mit Frederic und seinen Freunden? Aber zurück konnte ich jetzt auch nicht mehr.
    »Nicht dass du das falsch verstehst...«
    »Mann, sind alle Deutschen so kompliziert?«, seufzte er ungeduldig und ging zur Tür. »Jetzt komm schon, Partytime.«
    Schon nach den ersten fünf Minuten verfluchte ich mich dafür, mitgegangen zu sein. An der Kreuzung zur Küstenstraße wären wir um ein Haar auf den Wagen vor uns aufgefahren, der gerade gemächlich nach links abbog.
    »Wie fährt denn dieser Arsch!«, schrie einer von Frederics Kumpeln.
    »Pass auf, John«, erwiderte der, »das ist Gary Helm. Wenn du bei dem zu dicht auffährst, geht der Kofferraum auf.«
    »Bestimmt rot gefüttert.«
    »Nee. Rosa. Was meinst du Matthew, bleicht sich die alte Schwuchtel die Rosette?«
    Ich schaute stumm dem Wagen nach. Es war der silberne Datsun mit Goethe I auf dem Nummernschild. Langsam kroch er den Faculty Hill hinauf.
    »Hey, ich hab' gehört, in Deutschland kann man jederzeit ein Rohr verlegen. Stimmt das?«
    Auf dem Tresen der Sunset Bar am Beach Boulevard lagen Berge von Hähnchenschlegeln und Selleriestangen, unterbrochen von kleineren Haufen von Tortilla Chips. Die Lage des Restaurants war einmalig. Ob es überhaupt einer Happy Hour bedurfte, um hier Kunden anzulocken? Ich ging auf die Terrasse hinaus. Keine hundert Meter entfernt schlugen die Wellen des Pazifiks mit einem dunklen Grollen auf den Strand auf. Die Sonne stand schon recht schräg, wärmte jedoch noch ein wenig. Weiter draußen, ein gutes Stück hinter der Stelle, wo die Wellen sich brachen, saßen Surfer auf ihren langen, weißen Surfbrettern im Wasser. In Erwartung der geeigneten Welle starrten sie auf die riesige Wasserfläche hinter sich und sahen in ihren schwarzen Gummianzügen fast wie Mönche aus. Manchmal löste sich der eine oder andere aus der Reihe, begann wild mit den Armen zu paddeln, um ausreichend Fahrt für den Einstieg in eine Welle zu bekommen. Von der Terrasse des Restaurants hatte man außerdem ein ganzes Stück der Küste im Blick. Ein idealer Ort für ein romantisches Abendessen, wenn man das nötige Geld und die entsprechende Begleitung dafür hatte, was mir beides fehlte.
    Frederic erschien neben mir mit einer Margarita und einem Unterteller voller Shrimps.
    »Cool, nicht wahr? Hier. Nimm«, sagte er.
    Ich nahm den Drink entgegen, leckte das Salz vom Glasrand ab und trank einen Schluck. Es schmeckte ziemlich gut. Hinter uns erklang hysterisches Gelächter.
    »Witzig, die Jungs, nicht wahr?«
    »Sind sie auch aus Hillcrest?«
    »Nein. UCLA. Bis auf Chris. Der ist in Riverside. Wir sind Kumpel, aus der Highschool. Hier, schlag zu.«
    Ich griff nach einem Shrimp.
    »Wollen sie auch Filme machen?«
    Frederic schüttelte den Kopf.
    »Nein. Die haben schon Geld. Chris'Vater gehört die Hälfte von Jiffy Lube. Johns
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