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Der geschmuggelte Henry

Der geschmuggelte Henry

Titel: Der geschmuggelte Henry
Autoren: Paul Gallico
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erste Arbeitstag in der neuen Wohnung, einem wirklichen Schatzkasten von neuen Dingen, an denen sich die Neugier weiden konnte.
    Was war in New York, obwohl es die größte Stadt in der Welt war, damit zu vergleichen? Die kleinsten Dinge zogen Mrs. Harris und Mrs. Butterfield nach Hause. Nirgends wurden die Lebensmittel so verführerisch, aber, ach, auch so unpersönlich feilgeboten wie in den gigantischen Supermärkten, wie sie eingekauft hatten. Jedes Lammkotelett, jedes Salatblatt, jede blitzblanke Karotte lag in Zellophan eingepackt, unberührt von Menschenhand, mit Preisschildern versehen, auf den Regalen. Wonach Mrs. Butterfield und Mrs. Harris sich aber sehnten, war das Anheimelnde bei Warbles, dem Gemüseladen an der Ecke mit seiner Auslage von halbvertrocknetem Salat, wenig ansehnlichen Kohlköpfen und welkem Rosenkohl, aber wie duftete es dort nach Gewürzen, und Mr. Warbles bediente einen selber! Ach, und endlich Mr. Hagger wiederzusehen, den Fleischer, der einem ein Kotelett abschnitt, es mit einem «das schönste Stück von einem englischen Lamm, das Sie je gegessen haben» auf die Waage warf, es dann in eine alte Zeitung wickelte, «macht einen Schilling zwei Pence», und es einem mit einer Miene über die Theke reichte, als mache er einem ein großes Geschenk.
    Sie hatten die verschiedensten Eßlokale in New York ausprobiert, die palastartigen Childs, wo es Pfannkuchen mit Ahornsirup gab, die Mrs. Harris’ Lieblingsspeise geworden waren, die Automaten, wo Roboter mit Kaffee gefüllte Tassen hervorzauberten, und selbst die langen Drugstore-Theken, wo Verkäufer in weißen Kitteln Sodawasser in Schokoladensirup quirlten und göttliche illustrierte Brötchen anrichteten. Aber die beiden in London geborenen Frauen, denen die Stadt wie auf den Leib geschneidert war, sehnten sich nach dem Lärm eines Lyon-Restaurants oder dem warmen Duft und Gestank einer Fischbratstube.
    Die Bars und Grills in der Lexington- und der 3. Avenue, die sie manchmal besuchten, um einen Schnaps zu trinken, waren glitzernde Paläste aus Spiegelglas, Mahagoni und Gold, und in jedem konnte man gratis Fernsehen. Aber die Damen Harris und Butterfield hatten Heimweh nach der trüben Muffigkeit der «Krone», die sich ganz in der Nähe ihrer Wohnung befand, und deren gemütliche Bar, wo zwei Ladies friedlich ihr Bier oder ihren Gin schlürfen konnten, während sie sich angeregt unterhielten oder gelegentlich ein Würfelspiel machten.
    Die Polizisten von New York waren kräftige, hübsche Männer meist irischer Herkunft, aber es waren keine Bobbies. Mrs. Harris dachte mit immer größerer Wehmut an die kleinen Schwätzchen über lokale Angelegenheiten mit P. C. Hooter, der ihre Straße bewachte. Die Geräusche, die Gerüche, der Himmel, die Sonnenuntergänge und der Regen in London waren ganz anders als die in der Märchenstadt New York, und sie sehnte sich nach ihnen. Sie sehnte sich sogar danach, in dem guten alten Londoner Waschküchennebel herumzuirren.
    Aber wie sollte sie dies alles den Schreibers erklären? Vielleicht waren sie mit ihren eigenen Erinnerungen an einen schönen und glücklichen Aufenthalt in London empfänglicher dafür, als sie geglaubt hatte, denn sie ließen sie gewähren und stellten ihr keine Fragen mehr. Mr. Schreiber seufzte nur und sagte: «Nun, wenn Sie gehen müssen, müssen Sie’s wohl. Ich werde mich um alles kümmern.»

23

    Obwohl das in New York fast jede Woche geschieht, ist es immer ein erregendes und dramatisches Ereignis, wenn ein großer Ozeandampfer in See sticht, und besonders, wenn es das riesigste aller Schiffe ist, die je die sieben Meere durchquert haben, die «Queen Elizabeth».
    Vor allem im Sommer, wenn die Amerikaner in Scharen auf Urlaub nach Europa reisen, herrscht hier Hochbetrieb, und die Zufahrtsstraßen zum Pier 90 unter der Hochautostraße an der 50. Street sind von gelben Taxis und prächtigen Limousinen verstopft, die die Passagiere und ihr Gepäck ans Schiff bringen. Auf dem Pier wimmelt es von Reisenden und Gepäckträgern, und an Bord des Riesendampfers ist es, als ob eine riesige Gesellschaft stattfände, die durch die Wände der Flure und Kabinen in kleinere unterteilt ist, da in jedem Raum die Abreisenden ihre Freunde mit Champagner, Whisky und belegten Brötchen bewirten. Von diesen Abschiedsparties an Bord eines Schiffes geht eine besondere, ansteckende Heiterkeit aus. Wirkliche Ferienstimmung tut sich auf ihnen kund, aber von all denen, die auf der am 16. Juli
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