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Der geschmuggelte Henry

Der geschmuggelte Henry

Titel: Der geschmuggelte Henry
Autoren: Paul Gallico
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wegbleiben?» fragte Mrs. Harris.
    «Nicht so sehr lange», antwortete Mr. Bayswater. «In sechs Monaten bin ich wieder zu Hause. Ich habe schon gekündigt.»
    Mrs. Harris machte ein entsetztes Gesicht. «Gekündigt, John? Aber was ist denn in Sie gefahren? Was soll der Marquis ohne Sie machen?»
    «Der versteht es», antwortete Mr. Bayswater etwas geheimnisvoll. «Ein Freund von mir wird mein Nachfolger.»
    «Aber der Wagen», sagte Mrs. Harris. «Dürfen Sie denn den im Stich lassen?»
    «Ach, ich weiß nicht», sagte Mr. Bayswater. «Vielleicht sollte man das alles mehr auf die leichte Schulter nehmen. Die Sache mit der Haarnadel hat mir ein bißchen die Augen geöffnet. Es ist sowieso Zeit, daß ich daran denke, in den Ruhestand zu gehen. Ich habe mir soviel Geld gespart, wie ich brauche, und ich hatte mich auch nur auf ein Jahr verpflichtet. Wenn ich länger wegbliebe, würde ich zuviel Heimweh nach Bayswater haben.»
    «Wie ich», sagte Mrs. Harris, «nach Willis Gardens. Ach, ist das gemütlich dort, wenn abends die Vorhänge zugezogen sind und Mrs. Butterfield zu einer Tasse Tee kommt. Etwas Schöneres gibt es nicht.»
    «Werde ich Sie Wiedersehen, wenn ich zurückkomme?» fragte Mr. Bayswater, und diese Frage zeigte nur allzu deutlich, in welcher Seelenverfassung er war, da er ihr ja bereits die Schlüssel zu seiner Wohnung gegeben hatte.
    «Wenn Sie zufällig einmal vorbeikommen», sagte Mrs. Harris heuchlerisch, «es ist Battersea, Willis Gardens Nr. 5. Außer Donnerstags, dem Tag, an dem Mrs. Butterfield und ich ins Kino gehen, bin ich immer abends nach sieben da. Aber wenn Sie mir eine Postkarte schreiben, können wir den Kinobesuch auf einen anderen Tag verschieben.»
    «Das werde ich bestimmt tun», erwiderte Mr. Bayswater. «Aber jetzt müssen wir wohl zu den anderen zurück.»
    «Ja, das müssen wir wohl.»
    Mrs. Harris hielt in ihrer Hand das Unterpfand, daß sie ihn in nicht zu ferner Zukunft Wiedersehen würde. Und Mr. Bayswaters leere Tasche verbürgte, daß er, da die Schlüssel nun in ihrem Besitz waren, Ada Harris Wiedersehen würde.
    Als sie in die Kabine zurückkamen, war Mr. Schreiber gerade bei den letzten Fragen, die er dem kleinen Henry stellte, um dem Marquis eine Freude zu machen.
    Zum erstenmal glaubte Mrs. Harris die Veränderung an dem Jungen zu bemerken. Er war viel stämmiger geworden, und sein Gesicht, das in Erwartung von Püffen und Schlägen immer so traurig gewesen war, wirkte jetzt viel heiterer. Der kleine Henry war nie ein Feigling oder eine Heulsuse gewesen — er hatte immer das Schlimmste erwartet, und meistens war es auch so gekommen. Und nach so kurzer Zeit war er nun schon ein richtiger Junge. Es würde gar nicht so lange dauern, und er würde ein ganzer Mann sein.
    Mrs. Harris war keine geübte Beterin, und ihre Vorstellung von Gott war etwas verworren und änderte sich immer wieder, aber jetzt kam er ihr so gütig und liebevoll vor, wie jemand nur sein konnte. Und zu diesem Gott, der wie der sanfte, bärtige Vater auf frommen Bildern aussah, sagte sie in ihrem Inneren:
    «Was wirst du werden, wenn du groß bist?» fragte Mr. Schreiber.
    «Baseballspieler», erwiderte der kleine Henry.
    «Wo wirst du stehen?»
    Der kleine Henry dachte einen Augenblick nach und antwortete dann: «Im Mittelfeld.»
    «Das ist gut», sagte Mr. Schreiber. «Und in welcher Mannschaft wirst du spielen?»
    Der kleine Henry wußte das sofort: «Bei den New Yorker Yankees.»
    «Hören Sie sich das an», sagte Mr. Schreiber strahlend. «Er ist schon ein richtiger Amerikaner.»
    Die Schiffssirene tutete dreimal. Draußen im Flur hörte man Fußgetrappel. Ein Steward schlug an einen Gong und rief: «Besucher bitte von Bord!»
    Und während alle zur Tür gingen und Mrs. Butterfield laut schluchzte, sagte Mrs. Schreiber: «Auf Wiedersehn, Mrs. Harris. Gott segne Sie. Und vergessen Sie nicht, sich zu erkundigen, wer jetzt in unserer Wohnung wohnt.»
    «Auf Wiedersehn, Madame», sagte der Marquis, beugte sich über sie, nahm ihre Hand in seine und berührte sie mit seinem weißen Schnurrbart. «Sie verdienen es, sehr glücklich zu sein, denn Sie haben anderen so viel Glück gebracht — darunter auch mir, wie ich hinzufügen möchte. Alles in allem war es doch ein richtiger Jux. Ich habe allen gesagt, mein Enkel sei zu seinem Vater nach England zurückgekehrt. Und darum wird es keinerlei Schwierigkeiten mehr geben.»
    «Auf Wiedersehn und viel Glück», riefen alle Browns.
    «Auf
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