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Der Gesang des Blutes

Der Gesang des Blutes

Titel: Der Gesang des Blutes
Autoren: Andreas Winkelmann
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Rasch ging er bis an die verschlossene Haustür, stellte sich daneben in den Schatten des überstehenden Daches und zog eine schwarze Skimaske über. Sie kratzte auf der Haut, und die feinen Fäden kitzelten in der Nase, aber er brauchte das Ding. Für Robert gab es nichts Abstoßenderes als einen Gauner, der sich einen Damenstrumpf übers Gesicht zog.
    «Schwule Pisser!», hatte sein Vater immer gesagt. «Alles schwule Pisser!»
    Nachdem er die Maske übergezogen hatte, stieg sein Adrenalinspiegel spürbar an. Robert mochte diese innere Spannung, die für eine solche Aktion notwendig war. Die Ruhe vor dem Sturm. Das intensive Konzentrieren auf nur eine einzige Sache, die damit gleichsam zum Nabel seines Universums wurde.
    Er zog die klobige Waffe aus dem Schulterholster und wartete. Jedes noch so kleine Geräusch hinter der Haustür würde ihn alarmieren. Alles andere – die Geräusche von der Straße, das leise Hundegebell irgendwo weit entfernt, die Sirene eines Einsatzfahrzeuges –, all das erreichte zwar seine Ohren, doch er nahm es nicht wirklich wahr. Er achtete auf seine rechte Hand. Sie war ruhig, nicht das kleinste Zittern. In Extremsituationen konnte er sich auf seine Nerven und Reflexe verlassen. Seine gesamte Kindheit und Jugend hatte aus Extremsituationen bestanden.
    Plötzlich hörte er Stimmen hinter der Tür. Sie kamen! Fünfzehn Minuten mochten vergangen sein, seit Cox das Haus betreten hatte. Die übliche Zeit, um ein solches Geschäft abzuschließen.
    Drei Stufen führten zur Haustür hinauf. Robert postierte sich mit gezogener Waffe auf der obersten. Das Geschäft der Männer da drinnen war erledigt, alle waren gelöst und freundlich, mit nichts rechneten sie in diesem Augenblick weniger als mit einem direkten Angriff. Der Vorteil der Überraschung war auf seiner Seite.
    Jemand schloss auf, die Tür wurde nach innen gezogen – allerdings sehr langsam. Robert half nach. So wuchtig er konnte trat er mit dem rechten Fuß dagegen. Nur kurz spürte er einen leichten Widerstand. Die Tür schlug auf, er stürmte in die Vorhalle und erfasste mit einem Blick die Situation.
    Cox befand sich rechts von ihm, der Leibwächter direkt dahinter. Der Hausherr hatte seinen Kunden die Tür öffnen wollen und lag nun am Boden. Sein Gesicht war vom Schmerz verzerrt, er hielt seine rechte Hand umklammert. Keiner von ihnen griff zur Waffe, zu groß war die Überraschung.
    Robert zielte auf Cox.
    Dessen Augen weiteten sich. Hinter ihm bewegte sich sein Leibwächter, seine Hand tastete zur Jacke. Robert handelte schnell. Die Luftdruckpistole gab ein leises «Plopp» von sich, und der zwei Zentimeter kurze, goldfarbene Betäubungspfeil bohrte sich in den Oberschenkel des Iren. Es war wichtig, dass die Injektion von einer größeren Muskelpartie aufgenommen wurde, sonst konnte er daran sterben. Cox griff reflexartig nach dem Pfeil, konnte ihn aber nicht entfernen. Viel zu schnell wirkte das Azepromazin. Binnen zwei Sekunden verdrehte er die Augen und sank seufzend zu Boden. Damit machte er die Schusslinie auf seinen Leibwächter frei. Der bullige Kerl mit dem kurz rasierten Haar sah zu seinem Boss hinab und verstand wohl nicht recht, was vor sich ging. Bevor er eins und eins zusammenzählen konnten, lähmte Robert auch ihn mit einem Pfeil in den Oberschenkel. Dann schwenkte er die Waffe auf den Hausherrn.
    Bis dahin war noch kein Wort gefallen. Kaum fünf Sekunden hatte es gedauert, zwei Dealer außer Gefecht zu setzen. Der am Boden liegende Mann in dem teuer aussehenden Anzug hob abwehrend seine Hände vors Gesicht.
    «Hee, was soll das … nein, nicht!», rief er laut genug, damit seine Karate-Krieger im Büro es hören konnten.
    Robert ließ ihn nicht lange zappeln. Kaum hatte er den Pfeil abgefeuert, rannte er los. Während des vergangenen Monats hatte er das Haus mit einem Richtmikrophon belauscht und wusste daher recht genau, wo sich das Büro befand. An der Tür kam ihm einer der Freunde des Hausherrn mit vorgehaltener Waffe entgegen. Robert prallte gegen ihn und warf ihn zurück. Der Junge, der wohl erst seit einem Jahr seinen Führerschein hatte und an dessen Kinn noch Pupertätspickel leuchteten, schrie auf und ging zu Boden.
    Den anderen sah Robert sofort.
    Er stand rechts des großen Schreibtisches und beugte sich über die Platte, um an den Revolver zu kommen, der neben dem geschlossenen Koffer lag. Robert zielte auf ihn. Bevor der Kerl auch nur eine Silbe von sich geben konnte, ging er mit einem Pfeil im
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