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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas
Autoren: Antje Babendererde
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für uns eine gute Freundin.«
    Fredas Worte wärmten mein Herz und machten mir Mut. Vielleicht war meine Furcht, dass Javid mich schnell vergessen könnte, ja unbegründet. Er hatte versprochen mir zu schreiben und Freda hatte mir versichert, dass er seine Versprechen halten würde.
    Der Tanz war zu Ende und Javid drängte sich durch die am Rand stehenden Zuschauer zu uns zurück. Feuchtes Haar klebte an seiner Stirn und sein rotes Hemd hatte dunkle Schweißflecken unter den Achseln und auf der Brust. Mit dem Handrücken fuhr er sich über die Stirn und sah uns ganz seltsam an, als kämen wir aus einer anderen Welt. Dabei war er derjenige, der gerade für einige Zeit in einer anderen Welt verschwunden war.
    Wir sahen den Tänzern noch eine ganze Weile zu. Später beugte sich Javid zu mir herüber und sagte: »Ich muss schlafen, Copper. Morgen früh geht die Reise los und ich will ausgeruht sein.« Er musterte mich mit schwarzen Augen, in denen kleine Flammen tanzten. »Wenn du noch bleiben willst …«
    Â»Nein«, sagte ich schnell. »Ich bin auch müde. Ich komme mit.«
    Wir sagten Freda und meinem Vater Bescheid und machten uns auf den Weg zum Motel.
    Unsere Gedanken waren so durchdrungen vom Gefühl des Abschieds, dass wir kein Wort sprachen. Javid umklammerte meine Hand, als wolle er mir die Fingerknochen brechen.
    Â»Kommst du noch mit rein?«, fragte er, als wir vor seiner Zimmertür standen. Ich nickte.
    Auf Javids Bett lagen die Sachen, die er am nächsten Tag anziehen würde. Daneben sein Rucksack. Er war nicht sonderlich groß.
    Â»Ist das alles, was du mitnehmen willst?«, fragte ich ihn.
    Â»Wer mit einem Kanu unterwegs ist, muss mit wenigem auskommen«, antwortete er. »Das wussten schon unsere Vorfahren.«
    Ich nickte und setzte mich aufs Bett, die Arme um meine angezogenen Knie geschlungen, als wollte ich mich selbst festhalten. Vielleicht war ich müde, aber wenn es so war, dann spürte ich es nicht. Die Gedanken kreisten in meinem Kopf und das Blut in meinen Adern. Alles vibrierte und klopfte und hämmerte in mir, als wäre ich ein Musikinstrument, das von jemandem angeschlagen wurde, der damit nicht umgehen konnte.
    Javid setzte sich neben mich. »Morgen ist es nun endlich so weit«, sagte er. Und obwohl er es eigentlich hätte sein müssen, hörte er sich nicht besonders glücklich an.
    Â»Ja«, sagte ich. »Ich freue mich für dich, dass du mit dem Kanu dabei sein wirst. Aber du wirst mir fehlen, Javid. Ich spüre jetzt schon, dass du mir fehlen wirst.«
    Er griff nach meiner Hand und knetete sie nervös. »Du wirst mal jemanden glücklich machen, Sofie«, sagte er mit rauer Stimme. »Ich wünschte, ich wäre derjenige.« Javid küsste mich rasch auf den Mund und mein Herz hämmerte wild gegen meine Brust.
    Â»Geh jetzt«, sagte er und es klang beinahe flehend.
    Ich dachte daran, dass das Kanu nun fertig auf dem Strand lag und Javid nicht mehr an die merkwürdigen Regeln seiner Vorfahren gebunden war. Ich wünschte mir mit ihm zusammen zu sein, richtig, wie Mann und Frau, und dieser Wunsch nahm in mir gewaltige Ausmaße an.
    Â»Warum?«, fragte ich. Warum hatte er mich erst mit in sein Zimmer genommen, wenn er mich nun wieder fortschickte.
    Â»Weil es das erste Mal meistens nicht so berauschend ist für ein Mädchen. Wenn wir Zeit hätten … wenn wir mehr Zeit hätten … ach verdammt, ich will nicht, dass …«Er holte tief Luft. »Es ist auch so schon schwer genug.«
    Â»Ich liebe dich, Javid.«
    Ich hatte ihn noch nie so durcheinander,so verwirrt gesehen. So unglücklich. Unsanft schob er mich zur Tür und riss sie auf. Als ich schon draußen war, küsste er mich noch einmal, dann fiel seine Zimmertür donnernd ins Schloss.
    Wie vor den Kopf geschlagen stand ich da. Voller Sehnsucht nach Javid, die langsam in mir versteinerte, als ich merkte, dass sich seine Tür nicht wieder öffnete.
    Mit Beinen schwer wie Blei stieg ich die Stufen zu meinem Zimmer hinauf. Ich machte alles mechanisch: ausziehen, duschen, Zähne putzen.
    Im Bett rollte ich mich zusammen wie ein Embryo und hoffte auf Schlaf. Aber er kam nicht. Pausenlos musste ich daran denken, dass Javid dort unten war. Dass er mich weggeschickt hatte, obwohl ich ihm gesagt hatte, dass ich ihn liebe.
    Ich hatte es tatsächlich gesagt: »Ich liebe
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