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Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas
Autoren: Antje Babendererde
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vorbereitet worden war. Da waren riesige Schüsseln mit Kartoffelsalat und Nudelgerichten, die auf Eis kühl gehalten wurden. Verschiedene Kuchensorten ließen mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.
    Javid merkte, dass ich mich vom Kuchenstand nicht lösen konnte, und kaufte einen Pappteller mit acht verschiedenen Sorten.
    Â»Hier«, sagte er und reichte mir den Teller. »Das ist zwar kein vernünftiges Mittagessen, sieht aber wirklich lecker aus.«
    Wir teilten uns den Kuchen und tranken süße Zitronenlimonade dazu. Mein Vater und Lorraine kamen vorbei und Papa konnte es sich nicht verkneifen, ein paar Fotos von uns zu schießen.
    Die Stimmung schien ausgelassen und auch die vielen Fremden, die zum Stammesfest nach Neah Bay gekommen waren, amüsierten sich prächtig. Keiner von ihnen merkte, dass auf den feiernden Makah eine seltsame Anspannung lag. Immer wieder wanderten die Blicke der Indianer auf das dunkle Wasser der Seestraße, wo schon seit einiger Zeit die fremden Kanus erwartet wurden.
    Auch Javid wurde immer nervöser, je weiter der Nachmittag voranschritt. »Sie müssten längst hier sein«, sagte er.
    Â»Es dauert nicht mehr lange«, erwiderte ich. »Da bin ich mir sicher.«
    Höhepunkt der Parade war die Wahl der neuen Makah Day Queen. Zehn Mädchen zwischen 16 und 20 hatten sich zur Wahl gestellt. Zu meinem Erstaunen fand ich auch Alisha darunter. Das war ihr Geheimnis gewesen. An Tyler McCarthys Gesicht konnte ich erkennen, dass auch er nichts davon gewusst hatte.
    Ich fand, Alisha war die Hübscheste von allen, in ihrem weißen Umhang, der mit Perlmuttknöpfen und silbernen Schellen verziert war. Sie trug ein enges Kleid aus rotem Stoff und auf dem Kopf eine weiße Stoffhaube, auf die ein Donnervogel in Rot und Schwarz gestickt war.
    Alisha Soones war einfach die Schönste und großer Jubel brach aus, als sie tatsächlich zur neuen Makah Day Queen gewählt wurde. Ich sah, wie Tylers Brust schwoll vor Stolz.
    Kurze Zeit später ging ein Raunen durch die Menge. Die Menschen ließen alles stehen und liegen und eilten zum Hafen. Mein Vater, der vermutlich schon eine ganze Weile dort gelauert hatte, war plötzlich umringt von Menschenmassen und ich sah sein besorgtes Gesicht. Lorraine erkämpfte ihm schließlich ein ruhiges Plätzchen auf einer Bootsrampe, von wo aus er ungestört seine Fotos machen konnte.
    Javid und Tyler stiegen in ihr Kanu und gefolgt von zwei weiteren, größeren Makah-Kanus, paddelten sie den Ankömmlingen entgegen, wie es der Brauch vorschrieb. Als sie die Fremden erreichten, begrüßten sie sie und luden sie ein an ihrem Fest teilzunehmen.
    Es waren sieben fremde Kanus, jedes von einem anderen Stamm. Als sie, begleitet von den drei Kanus der Makah, am Strand eintrafen, begann ein lautes Trommeln, Hupen und Rufen. Freudengeschrei übertönte die Musik aus den Lautsprechern, bis sich jemand erbarmte und sie abstellte.
    Plötzlich war es unheimlich still. Vertreter der Stämme der Bella Coola, der Küsten-Salish, der Snohomish, Nootka und Nisqualli warteten in stolzer Haltung und mit aufgestellten Rudern in ihren Kanus. Einer ihrer Sprecher sagte: »Wir reichen allen Brüdern, die an den Wassern leben, die Hand. Wir sind mit unseren Kanus gekommen, um die Einigkeit der Stämme zu demonstrieren und das alte Band wieder zu knüpfen, das unsere Vorfahren zusammengehalten hat. Wir kommen in Frieden und bitten um die Erlaubnis, ans Ufer kommen zu können.«
    Die Männer klopften mit den Ruderstangen auf den Kanuboden und stießen dunkle »Ho ho ho«-Gesänge in die Luft.
    Das weißhaarige Stammesoberhaupt der Makah, gekleidet in einen roten Umhang, antwortete ihnen feierlich. »Wir Makah freuen uns, dass ihr gekommen seid, und heißen euch herzlich willkommen auf unserem Land. Wir laden euch ein mit uns zu singen, zu tanzen und zu feiern. Seid willkommen,Freunde, seid willkommen!«
    Und wieder erklang das laute »Ho ho ho«.
    Nach altem Brauch trugen Helfer die fremden Kanus mitsamt der Paddler an den Strand, damit die Gäste sich die Füße nicht nass machten. Dabei wurde getrommelt und Begrüßungslieder wurden gesungen. Als alle auf dem Trockenen waren, begannen die Männer und Frauen mit einem schwermütigen Gesang, der mich seltsam traurig stimmte.
    Freda beugte sich zu mir herüber. »Das sind Trauerlieder«, sagte sie. »Sie
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