Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gesang der Orcas

Der Gesang der Orcas

Titel: Der Gesang der Orcas
Autoren: Antje Babendererde
Vom Netzwerk:
Lächeln zu dem verzweifelten Pärchen. »Ein Zimmer ist gerade frei geworden. Ich brauche nur ein bisschen Zeit, um sauber zu machen und die Betten frisch zu beziehen.«
    Obwohl ich das, was zwischen Lorraine und meinem Vater lief, längst akzeptiert hatte, war ich doch überrascht. So war das also. Papa sah mich an und zuckte die Achseln, als bliebe ihm gar keine andere Wahl. Dann ging er nach oben, um seine Sachen zusammenzupacken und in das Zimmer von Lorraine Cook zu ziehen.
    Freda tat mir ein wenig Leid, dass sie so spät am Abend noch räumen und putzen musste. Und obwohl ich mich vollkommen zerschlagen fühlte, half ich ihr das Zimmer sauber zu machen und die Betten zu beziehen.
    Als alles fertig war, drückte sie mich. »Bessere Gäste als euch kann man sich nicht wünschen«, sagte sie. »Ihr werdet mir fehlen.«
    Ich setzte mich auf das frisch gemachte Bett und sagte: »Ich weiß nicht, wie ich ohne Javid weiterleben soll.«
    Javids Mutter setzte sich neben mich und strich mir übers Haar. »Das verlangt ja überhaupt niemand von dir, dass du ohne ihn weiterleben sollst. Lass ihn in dein Herz und er wird immer bei dir sein.«
    Â»Da ist er doch schon«,murmelte ich. »Schon vom ersten Tag an.«
    Â»Na, dann ist doch alles gut«, meinte Freda lächelnd.

29. Kapitel
    D er Ruf eines Raben weckte mich aus meinem Waltraum. Krrra, krrra, krrra – schnarrte es mit der Hartnäckigkeit eines Weckers. Ich glitt aus dem Bett und sah aus dem Fenster. Der schwarze Vogel saß auf einem Ast in der Tanne. Krrra, rief er wieder.
    Â»Ich bin ja schon wach«, murmelte ich verschlafen.
    Javid hatte mir erzählt, dass der Rabe seinem Volk die Sonne gebracht hatte. Deshalb wurde er von den Makah mit Respekt behandelt. Noch während ich den Raben betrachtete, schien mir die Sonne plötzlich ins Gesicht und ich musste blinzeln.
    Wenn das kein gutes Zeichen für diesen wichtigen Tag ist, dachte ich gut gelaunt, dann fress ich einen Besen.
    Nach einem ausgiebigen Frühstück, zu dem es diesmal heißen Kakao und frischen Beerenkuchen gab, gingen Javid und ich zum Hafen, um dort Tyler und Alisha zu treffen.
    Die beiden warteten am Kanu und sie waren nicht allein. Alte und Junge drängelten sich am Anlegesteg und bewunderten Javids Werk. Als wir dazukamen, ging ein anerkennendes Raunen durch die Menge. Javid kam nicht drum herum, die Geschichte des Kanus zu erzählen. Wie sein Vater begonnen hatte es zu bauen und er es für ihn vollendet hatte. Er verschwieg auch nicht, dass ich ihm bei der Bemalung geholfen und Tyler die Paddel geschnitzt hatte.
    Die allgemeine Bewunderung war groß und wurde erst unterbrochen, als von der Hauptstraße her Musik aus Lautsprechern erscholl. Trommelklänge und Makah-Gesänge, abwechselnd mit Live-Rockmusik und Jesusliedern.
    Die Parade hatte begonnen.
    Mit traditionellen Motiven geschmückte Wagen fuhren die Hauptstraße entlang. Zunächst ein Fahrzeug der Stammespolizei mit der Indianerfahne darauf. Dann kamen die Vietnamveteranen, Männer in Tarnuniformen unter dem Sternenbanner der Vereinigten Staaten von Amerika. Ein Wagen der Feuerwehr transportierte einen riesigen Grauwal aus Pappe, gefolgt von Walfängern in ihrem Kanu. Bemalte Pferde liefen hinterher, auf dem buntesten saß die Makah Day Queen vom vergangenen Jahr in prächtiger Montur. Kinder auf ihren Fahrädern fuhren Slalom um die Wagen und die Pferde. Alte Männer und Frauen in traditioneller Kleidung und mit den typischen Makah-Kopfhauben schritten würdig hinterdrein.
    Das Ganze kam mir vor wie eine Mischung aus Tradition und buntem Jahrmarkttreiben. Vielleicht konnte man über den kulturellen Wert geteilter Meinung sein – die meisten Anwesenden hatten jedenfalls ihren Spaß.
    Auf beiden Seiten der Hauptstraßewaren Stände errichtet und Zelte aufgebaut worden, die je nachdem die Sonne oder den Regen abhalten sollten. Im Augenblick war es die Sonne, die heiß vom wolkenlosen Himmel brannte.
    Ãœberall wurde gespielt, gelacht, Wettkämpfe wurden ausgetragen. Der Duft verschiedener Speisen mischte sich mit der Salzluft des Ozeans. Es gab geräucherten Kerzenfisch, Muscheln in Knoblauchsoße, Heringsrogen mit Farnstängeln, gegrillten Lachs oder Hähnchenbrust mit Reis und verschiedenen Gemüsesorten.
    Ich staunte über die Vielfalt des Angebotes und bewunderte die Mühe, mit der alles
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher