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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori
Autoren: Emma Temple
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es Ava noch immer unverändert
geht!« Katharina war aufgeregt. Ganze vier Wochen war es inzwischen her, dass
sie John gefunden hatte und die Transplantation eingeleitet worden war. In der
Zwischenzeit hatten sie Weihnachten gefeiert und sich zum neuen Jahr beglückwünscht
– der Tag, nach dem Ava ihren »zweiten Geburtstag« gefeiert hatte und per
Infusion die Stammzellen ihres Großonkels bekommen hatte. Jetzt war Mitte
Januar. Seit vierzehn Tagen schrieb Katharina hinhaltende Mails an die
Redaktion, hatte noch ihren Resturlaub genommen und die Heimreise aufgeschoben.
Sie wollte dabei sein, wenn Ava wieder gesund wurde, hatte sie Matiu erklärt.
    Er sah sie dann nur prüfend an, bevor er langsam nickte. Sie plante
ihre Rückkehr, da war er sich ganz sicher. Jetzt fühlte sie sich anscheinend verantwortlich
für die Rückkehr von John, für Ava, für Sina – und wahrscheinlich auch ein
wenig für ihn. Er sah ihr zu, wie sie hektisch ihr T-Shirt
wieder nach unten zog und die Flip-Flops anzog. Wenn Ava gesund wurde, war das
wahrscheinlich auch das Ende dieser Liebe. Aber was hatte sie eben mit etwas
»Großem« gemeint? Widerstrebend zog auch er seine Sneakers an.
    Vor der Tür wartete schon Brandon auf sie und trug sein breitestes
Grinsen zur Schau. »Dafür, dass ihr im Arbeitszimmer gemeinsam einen Artikel
lesen wolltet, habt ihr jetzt aber lange gebraucht …«
    Â»Ich musste noch abspeichern«, wehrte Katharina sich.  Aber Brandon wollte heute keine Ausrede
mehr hören. »Kommt, los. Sina war ganz aufgeregt …«
    Nur wenige Minuten später erreichten sie das Krankenhaus. Vom Chaos
am Tag des Erdbebens war heute nichts mehr zu spüren. Krankenschwestern liefen
geschäftig mit quietschenden Gummisohlen vorüber, Ärzte unterhielten sich
leise, und Patienten wanderten die Gänge entlang auf der Suche nach ein wenig
Ablenkung von Langeweile oder Schmerzen. Sie kannten allesamt den Weg in die
Isolationsstation, in der Ava die letzten Wochen zugebracht hatte, nur zu gut. Die
Schleusen, in denen die sterile Kleidung bereitlag, Avas Zimmer mit dem
Plastikzelt. An der Tür zu diesem Zimmer stockte Katharina der Atem.
    Es war leer.
    Auf dem Bett, auf dem Ava so blass und leblos gelegen hatte, war
heute nur noch eine Matratze, die Schläuche der Infusionen hingen säuberlich
zusammengerollt an ihren Haltern, und der Bildschirm, der den Herzschlag
anzeigen sollte, war dunkel.
    Einen Moment lang fühlte Katharina, wie eine kalte Hand nach ihrem
Herzen griff. Bis eine Schwester vorbeilief und beim Anblick der ratlosen
Familie in eine andere Richtung deutete. »Wir haben sie verlegt! Ihr findet sie
am Ende des Ganges in ihrem Zimmer!«
    Hörbar atmete Katharina aus und merkte erst jetzt, dass sie Matius
Hand viel zu fest umklammert hatte. Vorsichtig ließ sie wieder los und
streichelte ihm über die Druckstelle. »Entschuldigung. Ich habe nur einen
Augenblick lang …«
    Â»Ich weiß«, flüsterte Matiu. »Das haben wir alle.«
    Â»Das hätte Sina auch sagen können«, schimpfte Brandon, während er
sich schnell wieder die sterile Kleidung und den Mundschutz auszog. Doch auch
seiner Stimme war die Erleichterung anzuhören.
    Brandon, Matiu und Katharina liefen gemeinsam zu dem Einzelzimmer,
das die Krankenschwester ihnen gezeigt hatte – und blieben fassungslos in der
Tür stehen. Mitten auf dem Bett saß Ava vor einer großen, bunten Tüte von
McDonald’s. Der Burger in ihrer Hand war schon zur Hälfte aufgegessen, ein paar
letzte Pommes lagen noch vor ihr. Sie strahlte ihre Besucher mit ketchupverschmiertem
Mund an. »Mama mir geschenkt!«, erklärte sie.
    Sina saß lächelnd mit Ava auf dem Bett. Beim Anblick der Besucher
sprang sie auf und nahm Brandon in den Arm. »Sie hat es geschafft!« Sie
strahlte. »Wir haben heute morgen ihre Blutkörperchen angesehen – und es werden
wieder mehr. Die neuen Stammzellen arbeiten. Sie funktionieren, ihr Immunsystem
baut sich auf.«
    Matiu griff nach Katharinas Hand. Die Tränen liefen über ihr Gesicht
– und er war sich nicht einmal sicher, ob sie das überhaupt bemerkte. Leise
drückte er zu. Sie sah ihn von der Seite her an. »Es ist ein Wunder. Ein
richtiges Wunder!«
    Â»Nicht nur.« Sina sah Katharina aus Brandons Armen heraus an. »Das
Wunder hätte es nicht gegeben, wenn du
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