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Der Gesang der Maori

Der Gesang der Maori

Titel: Der Gesang der Maori
Autoren: Emma Temple
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wieder da!«, sagte er mit einer merkwürdig unbewegten
Stimme.
    John konnte nicht einmal ausmachen, ob in diesem Satz ein Vorwurf
versteckt war oder ob es sich nur um eine Feststellung handelte. Deswegen
nickte er nur. »Ja, das bin ich. Schön, dich wiederzusehen, Ewan.«
    Katharina stand etwas verlegen hinter Ewan. »Er hat gehört, dass du
wiederaufgetaucht bist, und wartet seit heute Nachmittag auf dich«, erklärte
sie. Sie sah die beiden Männer nervös an. Offensichtlich war sie sich nicht
ganz sicher, ob die beiden sich jetzt in die Arme fallen würden oder eine
Prügelei anfangen könnten.
    John nickte seinem jüngeren Stiefbruder zu. »Ich habe gehört, dir
ist es gut ergangen.«
    Â»Während ich von dir schlicht gar nichts gehört habe!« Ewan brachte
den Vorwurf nur mit mühsam unterdrücktem Zorn heraus. »Erst heute hat Fiona mir
gestanden, dass sie immer in Kontakt mit dir war, dass du immer gewusst hast,
wie es uns geht. Hast du dir nie Gedanken darüber gemacht, dass ich mir
vielleicht Sorgen um dich mache?«
    Â»Schon. Aber mir war immer bewusst, dass du unserem Vater von so
einer Begegnung erzählen würdest. Und wenn es einen Menschen gibt, den ich in
meinem Leben nicht haben möchte – dann ist es George Cavanagh. Er soll nichts
über mich wissen, keinen Teil meines Lebens kontrollieren …« John zuckte mit
den Achseln. »Tut mir leid, dass du so auch nichts von mir gehört hast.«
    Â»Und jetzt tauchst du also wieder auf.« Ewans Stimme klang höhnisch.
»Jetzt, wo du von Dad nichts mehr zu befürchten hast.«
    Â»Damit hat das nichts zu tun«, sagte John mit ruhiger Stimme. »Das
solltest du auch wissen. Ich bin nur hier, um deiner Enkelin zu helfen – um Ava
vielleicht wieder gesund zu machen. Das ist alles. Keine Sorge, danach lasse
ich dich mit deiner Reederei in Ruhe.«
    Â»Es geht doch nicht um die Reederei«, meinte Ewan. »Es geht um Dad.
Er liegt auf der Intensivstation. Er stirbt, John – und ich glaube, ihm würde
es besser gehen, wenn er dich noch einmal sehen könnte.«
    Katharina beobachtete, wie Johns Kaumuskeln arbeiteten. Es dauerte
ein Weilchen, bis er antwortete. »Was soll das? Was könnte mein Ziehvater von
mir wollen? Vergebung dafür, dass er mir meine Kindheit geraubt hat? Meine
Mutter von mir fortgejagt hat? Mich geprügelt hat? Mit Ruiha die einzige
Vertraute meiner Kindheit erst vergewaltigt und dann vertrieben hat?« Er
schüttelte den Kopf. »Diese Vergebung bekommt er nicht!«
    Â»Vergewaltigt?« Ewan sah eher entnervt als wütend aus. »Du musst
doch nicht jedes lächerliche Gerücht über deinen Ziehvater glauben. Sicher, es
gibt nettere und verträglichere Männer als George Cavanagh. Aber insgesamt
würde ich doch annehmen, dass er keines Verbrechens fähig ist. Also – selbst
wenn du von ihm nicht gut behandelt worden bist: Mach aus ihm kein Monster. Das
war er nicht.«
    Â»Ach, Ewan«, murmelte John. »Lass uns doch erst einmal hinsetzen.
Ich bin mir sicher, Katharina findet in der Küche ein kaltes Wasser oder ein
Bier für dich. Und dann wird es allmählich Zeit, dass du die Wahrheit über
deinen Ziehvater und deine eigenen Wurzeln erfährst.«
    Ungehalten schüttelte Ewan den Kopf. »Da gibt es keine Wahrheiten,
die ich erfahren müsste. Woher willst du das alles überhaupt wissen?«
    Katharina drückte Ewan eine Flasche kaltes Bier und John einen
Eistee in die Hand. Widerstrebend setzte Ewan sich nieder. John wartete, bis
sie wieder allein waren.
    Â»Woher ich das alles weiß? Einiges habe ich mir zusammengereimt.
Anderes hat mir Fiona erzählt. Und das meiste hat Sina vor ein paar Jahren herausgebracht.
Damals, als George von ihr nichts wissen wollte. Erinnerst du dich noch daran?«
    Unwirsch zuckte Ewan mit den Schultern. »Er hatte eben Angst, dass
sein Enkel auch nur ausgenutzt wird. Als er gesehen hat, dass Sina ein nettes
Mädchen ist, hat er seinen Widerstand ja aufgegeben.«
    Â»Nein«, erklärte John. »Als Sina seine Vergangenheit komplett
offengelegt hatte, musste er sie akzeptieren – sonst hätte sie seine
Vergangenheit ans Licht gezerrt. Und dich …« – er deutete dabei auf seinen
Stiefbruder – »… hat sie dabei verschont und dir überhaupt nichts erzählt.«
    Â»Als ob ich nicht jede
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