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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes
Autoren: Christoph Lode
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Sie ging in die Hocke und legte ihr die Hände auf die Oberarme. »Aber in Rouen kannst du nicht bleiben, Kindchen. Das verstehst du doch. Es ist ja nicht für immer. Komm, ich will dir jemanden vorstellen, den du mögen wirst.« Sie nahm Rahel auf den Arm und trug sie zu den Wagen. Rahel fühlte sich hilflos und kämpfte mit den Tränen. Warum kümmerte es niemand, was sie wollte?
    Die Frau setzte sie auf dem mittleren Wagen ab. Unter dem Dach aus Segeltuch herrschte ein Durcheinander aus Kästen, Säcken, Musikinstrumenten und seltsamen Gerätschaften. »Bren!«, rief die Gauklerin in den Wagen hinein. »Sag unserem Gast Hallo.«
    Zwischen den Kisten voller Plunder erschien das Gesicht eines Jungen. Es war blass und mager und so schmutzig wie die Gesichter der Erwachsenen. Er mochte etwas älter als Rahel sein und hatte dunkelblondes Haar, das ihm bis zu den Schultern reichte.
    »Das ist Rahel«, stellte die Frau sie vor. »Sie bleibt ein paar Tage bei uns. Zeig ihr deine Puppe, Bren.«
    Jemand rief »Sorgest!«, woraufhin sich die Frau umwandte. Sie strich Rahel über den Kopf, bevor sie davoneilte.
    Rahel blieb an der Kante der Ladefläche stehen. Der Junge musterte sie schweigend - ob neugierig oder misstrauisch, vermochte sie nicht zu sagen.
    Yvain kletterte vorne auf den Kutschbock, schlug mit den Zügeln und rief »Ho!« Ruckelnd setzte sich der Karren in Bewegung. Rahel hielt sich an den Kisten fest, stieg über das Gerümpel und setzte sich zu dem Jungen auf den Boden.
    »Ich heiße Brendan«, sagte er nach einer Weile. »Und das ist der Einarmige Saladin.« Er nahm eine Gliederpuppe in die
Hände. Sie stellte einen Sarazenenkrieger dar, mit purpurnem Rock, einem Säbel am Gürtel, spitzem Kinnbart und schwarzen Augen. »Willst du mit ihm spielen?«
    Sie sagte nichts. Der blasse Junge hielt ihr die Puppe hin, deren Arme und Beine hölzern klapperten. Zögernd nahm Rahel sie und setzte sie sich auf den Schoß.
    Schweigend saßen sie sich gegenüber, während der Wagen durch die Gassen rumpelte, gefolgt von den beiden anderen Fuhrwerken, auf denen der Rest der Gauklerschar saß. Das Spital »La Madeleine« zog an ihnen vorbei, der Bischofspalast und schließlich das Stadttor.
    Sie verließen Rouen. Rahel begann, wieder zu frieren, und diesmal verspürte sie Kälte von einer Art, die kein Feuer dieser Welt vertreiben konnte. Sie setzte sich auf eine Kiste, presste die Puppe an sich und betrachtete die Stadt, die hinter den Wagen langsam in die Ferne rückte. Als sie die Hügel erreichten, sah sie Rauch über den Dächern: eine schwarze Säule, die himmelwärts stieg und sich mit den Wolken vereinte. Der blasse Junge setzte sich neben sie. »Ist das dein Haus, das brennt?«, fragte er.
    Rahel wusste es nicht. Tränen rannen über ihre Wangen.
    Der Junge nahm ihre Hand in seine.
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