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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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wegschieben, weil meine Kinder zu Hause immer in alles reingriffen und mit dem Löffel auf Teller hauten und Schweinereien machten, bevor das Essen überhaupt angefangen hatte. Ich ließ es bleiben.
    »Und Ihr Sender braucht kein trendy Gesicht?«, fragte ich, während ich zur äußersten von sehr vielen Gabeln griff. Mit Appetit stocherte ich im Kaviar herum. Ich war wirklich gespannt, wie dieses vielgepriesene Zeug schmeckte.
    »Den Perlmuttlöffel, Schätzchen!« Frau Malzahn riss mir die Gabel aus der Hand und lachte sich kaputt. »Gott, was sind Sie süß!«
    Herr Satthaber guckte sich gequält nach uns um.
    Ich griff artig zu dem Perlmuttlöffel und mampfte das glibberige Zeug. Schmeckte wirklich nicht schlecht. Bisschen wässrig, bisschen salzig, bisschen fischig, aber dafür, dass ich ziemlich hungrig war, ging’s. Wie sang der Vater von Hänsel und Gretel, während er in Lumpen in seiner Bretterbude herumsprang und tanzte? »Trallalalaa, trallalalaa, Hunger ist der beste Koch!« Ich wusste das, weil ich »Hänsel und Gretel« schon sechsmal in Folge gesehen hatte.
    Frau Malzahn verteilte ihren Kaviar gekonnt auf dem Toastschnittchen, bevor sie hinein biss. Ein kleines, glibberiges, glänzendes schwarzes Fischei blieb an ihrer Unterlippe kleben, so sehr sie auch kaute und mampfte. Und da soll man den ganzen Abend verhandeln und freundlich tun und darf nicht lachen und nicht sagen: »Sie ham da was, gehn Se ma Zähne putzen.« Hach. Ich hasse das.
    »Also bei ›Wört-Flört‹ ist das ja so«, sagte Frau Malzahn, während sie krachend in ihren schwarzbestrichenen Toast biss, »dass die Sendung von den Kandidaten lebt. Ja? Ham Sie’s verinnerlicht?«
    Ich nickte. Ja klar. Ich verinnerliche pausenlos alles, was um mich herum passiert.
    »Die sind alle jung und knackig und trendy und witzig und sexy und frech. Ham Sie’s mal gesehen?«
    »Klar, ständig!«, log ich. Meine Augen wurden zu Dollarzeichen, je länger ich darüber nachdachte, dass ich nicht nur mehr als Paul, sondern viermal soviel wie Paul verdienen würde.
    »Die Kandidaten sind das Wichtigste! Für die Moderation brauchen wir eine unauffällige, ja, bürgerliche Person«, zischte Oda-Gesine, während sie mit der leinenen Serviette die Krümel aus ihren Mundwinkeln wischte. Nun war der Lippenstift auf der anderen Seite auch noch verschmiert.
    »Ach so, nee, ist klar«, antwortete ich.
    »Und Sie«, Oda-Gesine kaute und würgte und spülte mit einem Champagnerschlückchen nach, »sind natürlich die Bürgerlichkeit in Person. Mutter von einem Haufen Kindern, glücklich verheiratet mit so einem … Stabschwinger … nichts für ungut … Die Herausforderung schlechthin für eine Jugend-Kult-Sendung. Also ich setz voll auf Risiko. Wir brauchen einfach einen kleinen Skandal.«
    »Ach so«, sagte ich.
    »Hinterziehen Sie zufällig Steuern, oder haben Sie eine Affäre, von der noch niemand weiß?«
    »Weder noch«, bedauerte ich.
    »Kann ja noch kommen«, brummte Frau Malzahn. »Was nehmen wir zum Hauptgang?«
    »Danke, ich bin satt«, wehrte ich ab.
    »Das ist gut so«, freute sich Frau Malzahn. »Ich will eine schlanke Moderatorin.« Es schien ihr kein bisschen peinlich zu sein, dass sie die Formen eines Nilpferdes hatte.
    Frau Malzahn hatte noch Lust auf Fisch. Mit Spinat und Knoblauch. Und Kartoffelgratin.
    Der Kellner brachte die Weinkarte. Frau Malzahn schob ihre Brille auf die Nasenspitze und versenkte sich sehr konzentriert in die etwa sechzigseitige Mappe.
    »Den achtundsechziger Fendant«, entschied sie.
    Der Kellner entfernte sich mitsamt der dicken Mappe.
    »Passen Sie auf, Schätzchen. Ich schreib Ihnen jetzt mal eine Zahl auf die Serviette«, sie kramte nach ihrem Kugelschreiber, »und dann sagen Sie mir ja oder nein.«
    Sie kritzelte eine fünfstellige Zahl auf die leinene Serviette und schob sie mir hin. Mir wurde heiß.
    »Im Monat?«, fragte ich vorsichtig.
    Herr Satthaber spähte zu uns herüber.
    »Oder was …?«, fügte ich verwirrt hinzu.
    »Pro Sendung«, grinste Frau Malzahn.
    Ich schielte zu dem Tisch mit Stella Potatoe und Gusti Satthaber hinüber. Tatsächlich. Da lag auch eine vollgekritzelte Serviette. Stella kritzelte gerade etwas dazu. Ob ich auch noch eine Null hinzufügen sollte?
    »Tja, also …«, räusperte ich mich. »Wie hoch ist denn der Arbeitsaufwand für so ein … Format?«
    »Die Arbeit machen wir, Schätzchen«, sagte Frau Malzahn.
    Der Wein kam. Oda-Gesine prüfte die Flasche, ließ sich ein Schlückchen
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