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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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Sendezeit, in der Mütter ihre Kinder ins Bett bringen. Kurz vor acht.«
    Klar. Für Mütter war »Wört-Flört« wohl auch nicht gedacht. Was sollen Mütter mit »Wört-Flört« ?
    Ich runzelte die Stirn. »Für eine solche Sendung bin ich doch überhaupt nicht geeignet!«
    »Finde ich auch«, sagte Senta.
    »Und Paul findet das erst recht. Wieso will die ausgerechnet mich?«
    »Frag sie doch«, sagte Senta.
    Mit einer angemessenen Verspätung von siebeneinhalb Minuten betrat ich das Edelrestaurant des Bayrischen Hofes, wohin Frau Malzahn geladen hatte. Mein »Zimmer« war eine Suite im dritten Stock, bestehend aus zwei riesigen Schlafzimmern mit je einem Doppelbett, einem Wohnzimmer, einem Konferenzraum, zwei Bädern und drei Ankleidezimmern. Für diese eine Nacht war der Aufwand ein bisschen übertrieben, fand ich, aber andererseits fühlte ich mich schwer gebauchpinselt. Frau Malzahn breitete den roten Teppich für mich aus! Was führte sie nur im Schilde?
    Ich suchte nach einer gutaussehenden, gepflegten Dame von Mitte Fünfzig, so wie Senta sie beschrieben hatte.
    Da saß sie. Tatsächlich. Mein Gott. So ein Schock.
    Frau Malzahn war dick. Um nicht zu sagen fett.
    Ein riesiger wabernder Fettkloß mit grauen Haaren im schwarzen Zweimannzelt. Sie hatte ihre Massen erstaunlich wirtschaftlich auf dem geschwungenen Stuhl, der mit rötlichem Samt überzogen war, verteilt. Sie lachte mich freundlich an. Das flößte mir Vertrauen ein.
    Bleiben Sie liegen, wollte ich sagen, als sie sich bemühte aufzustehen, um mich zu begrüßen. Ich beherrschte mich und lächelte verbindlich.
    »Sie sehen viel besser aus als im Fernsehen!«. sagte Frau Malzahn, während sie sich schnaufend wieder in ihren Stuhl fallen ließ. »Viel jünger und schlanker und natürlicher und netter.«
    Ich wertete das als einen gelungenen Auftakt. Leider konnte ich keines ihrer Komplimente erwidern. Gern hätte ich gesagt: Sie sehen viel dicker aus, als meine Schwester Sie geschildert hat, viel älter und fetter und grauer und schlampiger – aber ich unterließ es.
    »Danke«, sagte ich stattdessen schlicht.
    »Wie kommt das, dass Sie so nett und natürlich aussehen?«
    »Ich BIN so nett und natürlich.« Was hatte sie denn gedacht?
    »Ein Grund mehr, zu uns zu kommen«, sagte Frau Malzahn. »Ich suche eine nette und natürliche Frau mittleren Alters. Und genau das sind Sie.« Dabei lachte sie breit.
    Ihr Hals wabbelte. Sie hatte was Grünes zwischen den Zähnen. Ein Fitzchen Schnittlauch oder Spinat oder so was. Ich starrte sie an. Aber ich war mir des Ernstes der Lage durchaus bewusst. Eine Frau von Welt lacht nicht und glotzt nicht, wenn ihr Geschäftspartner was zwischen den Zähnen hat.
    »Aus der Tatsache, dass Sie gekommen sind, schließe ich, dass Sie keinesfalls mit dem bisherigen Sender verheiratet sind«, dröhnte Frau Malzahn.
    »Ich halte nicht viel vom Heiraten«, lächelte ich.
    »Das höre ich gern«, sagte Frau Malzahn mit fettem Timbre. »So gefallen Sie mir.« Sie spendierte mir ein herzliches Grinsen.
    Vielleicht war es auch Blattsalat oder Dill.
    Frau Malzahn winkte dem Kellner, der auch dienstbeflissen herbei glitt, und bestellte als Aperitif Champagner und als Vorspeise Kaviar.
    »Sie sind die Frau von dem … Dings …?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Und? Lässt der sie …?«
    »Was?«
    »Machen. Also arbeiten. Dürfen Sie tun, was Sie wollen?«
    »Bin ich verheiratet oder strafgefangen?«, fragte ich zurück.
    Frau Malzahn lachte, dass ihr Gaumensegel flatterte. »Sie gefallen mir unheimlich, Mädchen.«
    »Sie mir auch.«
    »Ich hoffe, es ist Ihnen recht, wenn wir Kaviar nehmen?«
    Klar. Ich nickte. Mir war Kaviar sehr recht. Senta und ich, wir löffelten abends beim Fernsehen immer mal gerne zwei, drei Kilo Kaviar, und unseren Kindern schmierten wir den aufs Schulbrot.
    »Wir sind übrigens nicht die Einzigen, die heute Abend neue Verhandlungen führen«, sagte Frau Malzahn und wies auf einen der Nachbartische.
    Da saß ein junger Mann im Designeranzug, aus dem ein aus gemergelter borstiger Kopf ragte, und speiste Wachteleier mit einer blonden Mageren, die ihre millimeterkurzen Strähnen zu klebrigen Zipfeln geigelt hatte. Sie hatte einen weißblau gestreiften Sträflingsanzug an, der an den Knien zerrissen war. Die Beiden sahen aus, als kämen sie aus jahrelanger Gefangenschaft in Sibirien und wären noch nicht dazu gekommen, sich die Haare zu waschen beziehungsweise ein bisschen nett zu machen, bevor sie Wachteleier aßen. Der
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