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Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Der gemietete Mann: Roman (German Edition)

Titel: Der gemietete Mann: Roman (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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männliche Sträfling war unrasiert.
    »Das ist der Gusti Satthaber mit der Stella Potatoe«, sagte Frau Malzahn. »Die will er für sein neues Nachrichtenmagazin.«
    Gusti Satthaber war Programmchef eines Privatsenders, darüber war ich informiert. Aber was wollte er mit der mageren Zotteligen?
    »Die Stella Potatoe hat bis jetzt bei VIVA die Hitparade moderiert«, gab Frau Malzahn Auskunft. »Aber die will jetzt was Seriöses machen.«
    Was die dicke Frau Malzahn alles wusste. Ich hatte mein Lebtag noch nicht VIVA geguckt. Meine Kinder waren noch nicht in dem Alter. Die Zippelige war mir völlig unbekannt.
    »Apropos seriös«, sagte ich. »Erzählen Sie mir von ›Wört-Flört‹!« Natürlich hatte ich mir inzwischen »Wört-Flört« angesehen. Mein erster Eindruck hatte sich nicht ganz mit dem von Senta gedeckt, aber auch nicht mit dem von Paul, der das Ganze für komplett niveaulosen Schwachsinn hielt.
    »Wir sind der absolute Quotenrenner im Vorabendprogramm«, sagte Frau Malzahn. »Im Winter erreichen wir sieben Millionen Zuschauer, im Sommer immer noch fünf. Unser Publikum ist jung und trendy, deswegen die Differenz: Im Sommer gehen die alle kraxeln und segeln und paragliden und … na, wie heißen die Dinger mit Rollen, Sie wissen schon, nicht Rollschuhe, sondern …«
    »Rollerblades«, sagte ich.
    »Genau«, sagte die dicke Frau Malzahn.
    »Und wie kommen Sie nun ausgerechnet auf mich?«
    »Sie sind doch DIE Scheidungsfrau in Deutschland, nicht, Schätzchen? Sie haben Ihr eigenes Publikum. Solche, die schon mal auf die Schnauze gefallen sind. Die Umfrage des Forsa-Meinungsforschungsinstitutes beweist: Die Geschiedenen schauen alle wieder ›Wört-Flört‹. Und die paar Millionen hätten wir gern dazu.«
    »Wer ist wir?«
    »Der Sponsor der Sendung, die Firma ›Nesti-Schock‹, und wir, DER SENDER.«
    Ich staunte. Nicht zuletzt über die Worte »Schätzchen« und »Schnauze«. Und das in diesen heiligen Hallen. Aber Frau Malzahn war halt schon lange mit der Jugend-Kult-Sendung verwachsen. Da redet man locker in solchem Jargon.
    Der Kellner servierte den Champagner. Ich hatte Angst, dass sie zu ihm sagen könnte: »Verpiss dich, Alter!«
    »Außerdem«, triumphierte Frau Malzahn, »ist das der PR-Gag: Deutschlands Scheidungsfrau moderiert eine Kuppelshow!«
    Wir stießen an. Frau Malzahn ließ mich wieder den grünen Schnippel zwischen ihren Zähnen sehen.
    »Auf einen gewinnbringenden Abend!«
    Wir tranken.
    Frau Malzahn wandte sich, soweit das bei ihren Massen möglich war, zu dem Programmdirektor der Konkurrenz um und schrie: »Prost, Gusti! Viel Erfolg mit der geilen Kleinen!« Dann lachte sie schallend.
    Gusti lächelte gequält und prostete mit seinem Mineralwasser herüber. Die Zippelige steckte sich eine Zigarette an und ließ uns ansonsten nur ihr gestreiftes Hintergesicht schauen.
    »Ist die nicht ein bisschen zu … ausgeflippt für ein Nachrichtenmagazin?«, fragte ich.
    »Der Sender schiebt jährlich Milliarden Verluste«, antwortete Frau Malzahn zufrieden. »Die müssen verdammt an ihrem Image arbeiten. Nur noch Alte und Kranke, die da einschalten. So Leute, die auch das Klassik-Zeugs von Ihrem Mann gucken. Nichts für ungut, Schätzchen. Aber die Jungen zappen weg. Laut einer Forsa-Umfrage schaut nur noch jeder achte Bundesbürger unter fünfunddreißig diesen Sender, während in Alters- und Pflegeheimen von morgens bis abends Satthabers Sender eingeschaltet ist. Klar, dass der Gusti am Stock geht. Sieht richtig alt aus, der arme Junge. Dabei ist er erst vierunddreißig!« Sie prostete dem armen Herrn Satthaber noch einmal herzlich zu und lachte schadenfroh.
    »Na so was«, bemerkte ich verwundert.
    »Was dieser Sender braucht, ist ein knackiges Girl mit einem trendy Gesicht«, sagte sie. Ihr Halsspeck wabbelte. »Möglichst mit Nasenpiercing oder Ring im Nabel.« Sie wischte sich mit der fetten Hand über die Backen. Dabei verschmierte sie ihren Lippenstift.
    »Das leuchtet natürlich ein«, sagte ich. »Das ist immens wichtig für ein Nachrichtenmagazin.«
    Der Kellner brachte den Kaviar. Es war ein bescheidenes Häufchen schwarzglänzender Schuhcreme auf einem riesigen goldrandigen Teller, auf dessen leerer Hälfte eine halbe blässliche Toastscheibe kränkelte. Der Kellner drapierte liebevollpflichtfroh noch ein Ensemble aus Perlmuttlöffeln, Schälchen, Zitronenscheibchen im Wässerchen und allerlei überflüssigem Kram um uns herum. Automatisch wollte ich den ganzen Krempel
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