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Der gelbe Handschuh

Der gelbe Handschuh

Titel: Der gelbe Handschuh
Autoren: Alfred Weidenmann
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versuchte er sich bemerkbar zu machen.
    Aber der Seehund suchte wohl gerade einen griechischen Bildhauer mit D am Anfang und Y am Ende. Jedenfalls bemerkte er nichts.
    Nun kam der Hotelportier Wagner dem jungen Mann im Taxi zur Hilfe. Er tippte dem Mann mit der Baßgeige auf die linke Schulter und sagte: „Excuse me, Sir...“
    Der Seehund zuckte zusammen, als sei er gerade elektrisiert worden. Er wollte etwas sagen, aber dann entdeckte er vor dem Fenster das Taxi und den jungen Mann, der aussah wie ein Filmstar.
    Der dicke Mann mit den Fischaugen entwickelte jetzt eine Schnelligkeit, die man ihm gar nicht zugetraut hätte. Er ließ das Kreuzworträtsel in der Manteltasche verschwinden, klemmte sich seine Baßgeige unter den Arm und balancierte wie ein Seiltänzer durch den Gang und an den übrigen Fahrgästen vorbei.
    Im gleichen Augenblick schnitt das zitronengelbe Taxi dem Omnibus die Fahrbahn ab.
    Der Fahrer fluchte und trat heftig auf die Bremse. Die Hydraulik des knallroten Ungeheuers stöhnte auf und brachte den Wagen zum Stehen.
    Die Fahrgäste wurden in ihren Sitzen durcheinandergerüttelt, und der Mann mit der Baßgeige schwankte. Für einen kurzen Augenblick hätte man glauben können, daß er betrunken sei. Als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, ging die vordere Tür auf, und herein kam der junge Mann mit den pechschwarzen Haaren und dem schmalen Bart auf der Oberlippe. Er sprach sofort auf den Omnibusfahrer ein, und jeder, der es wollte, konnte sehen, wie er ihn mit ein paar Dollarnoten beruhigte. Gleich darauf half er dem Seehund und seiner Baßgeige beim Aussteigen. Dabei wurde an seinem Hals eine Narbe sichtbar, die vom Ohr bis in den Hemdkragen ging. Aber sein pechschwarzes Haar verdeckte sie beinahe ganz. So konnte sie nur von jemandem entdeckt werden, der in diesem Augenblick genau hinsah.
    Als das Taxi mit dem jungen Mann und dem Seehund wieder im Verkehr verschwand und der Omnibus seine Fahrt fortsetzte, unterhielten sich die Passagiere natürlich darüber, weshalb man den Dicken mit seinen traurigen Fischaugen wohl aus dem Omnibus geholt hätte.
    „Denn irgendwas Besonderes muß doch passiert sein“, sagte Herr Finkbeiner, „sonst läßt man doch nicht im letzten Augenblick eine so fabelhafte Reise sausen.“
    „Bestimmt ein Krankheitsfall in der Familie“, meinte die Frau des Apothekers.
    „Oder ein Wasserrohrbruch in seiner Wohnung“, sagte Ulli.
    „Es wäre auch möglich, daß er an der Börse spekuliert“, ließ sich Herr Wagner vernehmen. „Die Kurse sind über Nacht gefallen, und sein ganzes Vermögen ging in die Binsen.“
    „Es kann aber auch sein“, meinte Peter, „daß er bloß die Noten für seine Baßgeige vergessen hat…“
    In diesem Augenblick bog der knallrote Omnibus mit seinen Fahrgästen an der Südspitze von Manhattan aus der 72. Straße zum Hafengebiet ein.
    „Jetzt wird’s spannend“, sagte Herr Finkbeiner. „Da drüben sind die Piers, und es riecht schon nach Meerwasser.“
    Er rieb sich erwartungsvoll die Hände wie vor dem Mittagessen am ersten Weihnachtsfeiertag. Da gab es bei Finkbeiners immer eine Gans.
    Die Häuser wurden am Hafen niedriger. Sie hatten jetzt nur noch zwei oder drei Stockwerke. Beim Vorbeifahren konnte man zwischen ihnen jetzt immer öfter ein Stück Wasser sehen, und dann tauchten über ihren Dächern auch schon die ersten Schornsteine der Schiffe auf, die hier vor Anker lagen. Und die ersten Möwen kurvten an den Omnibusfenstern vorbei.

Es regnet Konfetti, und eine Kiste kommt an Bord

    Schon bevor sich die Türen öffneten, hörten sie Musik. Und als sie dann aus ihrem Omnibus herausgeklettert waren, standen sie vor ihrem Schiff. Es war so hoch wie die Häuser am Kurfürstendamm und so weiß wie frischgefallener Schnee.
    Die Musik kam von der Bordkapelle, die am Pier stand. Von den Decks blickten die Passagiere, die sich schon eingeschifft hatten, zusammen mit der Besatzung über die Reling. Frauen und Männer in Wintermänteln neben Matrosen, Köchen, Stewards und Schiffsoffizieren. Sie standen übereinander wie auf den Tribünen in einem Fußballstadion und warfen bunte Papierschlangen und Konfetti.
    Unten am Pier wimmelte es nur so von Taxis, Omnibussen, Hafenarbeitern, Verladekränen, Gepäckträgern und immer neuen Passagieren, die noch an Bord wollten.

    Die Kapelle spielte jetzt: „Hoch auf dem gelben Wagen“, und eine Lautsprecherstimme rief dazwischen: „Bitte alles an Bord!“
    „Wie auf einem
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