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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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solange ich lebe, nicht verwirklichen lassen. Denn sonst wäre es, als heirate ein Kind seine eigene Mutter - als heirate mein Sohn zu meinen Lebzeiten meine Frau. Keinen Tag länger könnte ich leben, so schämte ich mich vor Gott und den Menschen. Meine Ehe würde zerbrechen, es gäbe keinen Verwalter für meinen Besitz. Mein Leben würde zerbrechen. Jacinta, rette mich!«
    »Wie?«
    Und noch einmal stach der Klang von Wariingas Stimme den Reichen Alten Mann ins Herz. Er begann wieder auf dem Teppich hin und her zu gehen. Er machte zwei oder drei Schritte, dann blieb er stehen und versuchte, sich zusammenzureißen.
    »Ich möchte, daß du Gatuiria freigibst.«
    »Wie?«
    »Ihr geht zusammen nach Nairobi zurück. Wenn ihr dort seid, dann machst du ihm klar, daß die Liebe zwischen euch aus ist. Er ist ja wie ein Kind, er wird nichts ahnen.«
    »Und ich?«
    Plötzlich überkam es ihn wie in den alten Zeiten, als seine Worte Macht über Wariinga besaßen. Er fühlte das warme Blut in seinen Adern, er fühlte seine frühere Männlichkeit wiederkehren. Er wollte seine Hände auf Wariingas Schultern legen. Als ihn jedoch ihr flammender Blick traf, ließ er die Hände schnell wieder fallen, sagte aber dennoch zu Wariinga:
    »Du wirst mein eigen werden. Bedenke, daß du mir früher schon gehört hast. Ich meine doch, daß ich dich zur Frau gemacht habe. Außerdem bist du die Mutter meines Kindes, obwohl meine Augen es noch nie gesehen haben.«
    »Und deine Frau? Gatuirias Mutter?«
    Der Reiche Alte Mann fühlte, wie ihn Wariingas Stimme überwältigte. Begehrlichkeit hatte nun von seinem Körper Besitz ergriffen. Parfümierte Worte strömten ihm mühelos über die Lippen. Er kam näher. Und jetzt redete er genau so wie Boss Kihara. Als hätten die beiden dieselbe Schule besucht, um die Künste des Verführens zu erlernen, oder als hätten sie das Buch mit den hundert Liebesbriefen zwischen Vater und Tochter gelesen.
    »Jacinta! Sie zählt nicht. Niemand benützt ein altes Parfüm, das seinen Duft verloren hat. Please , mein kleines Mädchen, meine Blume, hör auf meine Worte. Nimm diese Schande heute von mir. Sei meine Geliebte. Ich werde in Nairobi oder in Mombasa oder wo du möchtest ein Haus für dich mieten. Ich werde das Haus mit denselben Möbeln und Teppichen einrichten, wie du sie hier siehst, und mit Matratzen und Vorhängen und vielen anderen aus dem Ausland importierten Dingen. Aus Hongkong, Tokio, Paris, London, Rom, New York. Name it you get it. Ich möchte, daß du dieses Tuch und den Halsschmuck und die Ohrringe aus getrockneten Maisstengeln ablegst und daß du Kleider aus Europa trägst und dich mit europäischen Juwelen schmückst. Ich werde dir auch einen Shopping basket , einen Einkaufskorb für denMarkt, schenken, einen Toyota Corona, einen Datsun 16 B, einen Alfasud oder irgend ein anderes Modell, das du möchtest. Jacinta, mein kleines Mädchen, meine Blume, mein süßes Früchtchen, komm zu mir zurück und vergiß deine Probleme, befreie mein Leben und das Leben meines Kindes …«
    »Welches Kind meinst du?«
    »Gatuiria natürlich!«
    »Und Wambui? Ist sie nicht dein Kind?«
    »Ich bin nicht so seelenlos, wie du denkst. Gikuyu hat einmal gesagt: Haßt man eine Kuh, so haßt man auch ihr Fell … und ich sage dir jetzt: Liebt man eine Kuh, so liebt man ihr Kalb.«
    »Und wenn ich mich weigere, deine Blume zu werden? Eine Blume, um dein Alter zu zieren?«
    Der Reiche Alte Mann aus Ngorika hielt inne, als sei er tief in Gedanken versunken. Sein Gesicht verdüsterte sich, Wariingas Worte hatten ihn verbittert. Er räusperte sich und sprach mit der rauhen, bitteren Stimme eines Mannes, der es nicht gewohnt ist, daß man sich seinen Worten und Wünschen widersetzt.
    »Ich will in Gleichnissen mit dir reden. Vor langer Zeit war Satan, der Teufel, ein Engel, den Gott sehr liebte. Er hieß damals Luzifer. Aber eines Tages wurde Satan von einem bösen Geist besessen, und er verlangte, zur Rechten Gottes zu sitzen. Wie du weißt, gehört dieser Platz Gottes einzigem Sohn. Was also tat Gott mit Luzifer? Selbst uns, den Jüngern Gottes auf der Erde, ist es gegeben, Gottes Wünsche zu erfüllen. Du bist kein kleines Kind mehr, deshalb brauche ich dir nicht zu erklären, was dies bedeutet. Ich war bei dem Fest in Ilmorog nicht mit dabei. Aber ich weiß, daß ein Mann namens Mwireri wa Mukiraai dort war. Er galt als einer der angesehensten Gäste, denn ich habe mir sagen lassen, daß man ihm die meisten
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