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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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sie, als man sie bei der Tat ertappte?«
    »Das konnte ich nicht deutlich sehen … aber ich meine, sie zerstreuten sich und gingen in die Wälder und in die Berge; sie sangen Lieder, die ich noch nie zuvor gehört hatte … Ich erwachte mittendrin, ehe noch alles vorüber war …«
    »Mach dir keine Gedanken wegen dieser Alpträume«, versucht Gatuiria Wariinga aufzumuntern. »Du weißt doch, daß du vor zwei Jahren gesehen hast, wie Panzerwagen Arbeiter, Bauern und Studenten, die zum Verhör von Muturi und seinen Freunden ins Gerichtsgebäude gekommen waren, vertrieben haben. Du hattest diesen Traum von Panzerwagen, weil dein Gehirn wußte, daß du heute nach Ilmorog kommen würdest …«
    »Ja, so scheint es wohl zu sein«, sagt Wariinga mit etwas leichterem Herzen … »Du könntest einen ausgezeichneten Yahya Hussein abgeben! Warum fängst du nicht ein Geschäft an und deutest Träume - von dem Gewerbe könntest du vielleicht leben!«
    »Ich könnte mich Professor Gatuiria nennen - Traum- und Alptraumdeuter … Brauchen Sie ein Kraut, das gegen alle Beschwerden gewachsen ist, dann suchen Sie Prof. Gatuiria auf … Brauchen Sie einen Liebestrank, kommen Sie zu mir … Beachtliche Erfolge … Als erster habe ich den Tag vorhergesagt, an dem die Sonne morgens aufgehen und abends wieder untergehen würde …«
    Wariinga und Gutuiria lachen.
4
    Es ist wahr, daß die Liebe keine Furcht kennt. Es ist wahr, daß die Liebe weder Schmerz noch Sorgen noch Alpträume kennt. Die Liebe weiß weder von gestern noch von vorgestern, sie kennt nur das Morgen und das Übermorgen - den Anfang immerwährenden Glücks … Das Morgen für Wariinga und Gatuiria wird morgen beginnen …
    »Nicht, weil ich Alpträume hatte, und auch nicht, weil unsere Garage von dem Gelände verjagt wurde, habe ich Tränen vergossen«, sagt Wariinga erklärend zu Gatuiria.
    »Dann trockne deine Tränen«, erwidert Gatuiria.
    »Diese Tränen können heute nicht mehr getrocknet werden«, sagt Wariinga, »denn diese Tränen sind Tränen des Leids und Tränen der Freude zugleich.«
    »Wie meinst du das?«
    »Seit ich mir damals das Leben nehmen wollte, bin ich nie wieder in Nakuru gewesen … und so sagte ich mir, diese Stadt Nakuru war der Anfang deines Leidens … und dasselbe Nakuru wird morgen der Anfang deines Glücks sein …«
    »Und was ist daran verkehrt?« fragt Gatuiria. »Das Nakuru von morgen rächt sich am Nakuru von gestern!« sagt er abschließend und versucht, die Schwermut in Wariingas Herz zu besänftigen. »Du hast recht - Nakuru, die Quelle, aus der beides, Lachen und Weinen, entspringt …«
    »Amen …« sagt Gatuiria. »Deshalb trockne deine Tränen, denn Nakuru ist zu einem Ort der Wunder geworden, es läßt aus dem Leid die Freude wachsen … warum trocknest du deine Tränen nicht? … Dann werde ich sie dir mit dem Tuch der Liebe trocknen …«
    »Du Lügenprofessor!« ruft Wariinga etwas laut und schiebt Gatuiria von sich, obwohl sie es eigentlich nicht so meint. »Wo hast du Küssen gelernt, diese ausländische Sitte? Heißt das, daß du deine fremden Sitten nie aufgegeben hast?«
    »Willst du damit sagen, du willst lieber so küssen, wie schwarze Menschen küssen?« fragt Gatuiria lächelnd zurück und geht auf Wariinga zu, während Wariinga zurückweicht, wobei sie die ganze Zeit reden. »Küsse und Geflüster im Bett der Liebe …« sagt Gatuiria, um gleich darauf eine Melodie aus einem Muthuunguuci-Tanz zu singen:
    Gatuiria: Ich halte dich fest
    Ich halte dich fest
    Drücke ich auch nicht zu sehr?
    Wariinga: Wie du mich hältst
    Wie du mich hältst
    So ist es gut …
    Mann, halte mich fest und laß nicht los …
    Gatuiria: Tanze, und dann gehen wir zusammen heim
    Tanze, und dann gehen wir zusammen heim
    Meine Geliebte …
    Du sollst mich bei dieser Kälte nicht alleine lassen …
    Bei den letzten Worten springt er hoch und schließt Wariinga in die Arme.
    »Wer hat dich gelehrt, Muthuunguuci zu tanzen?« fragt Wariinga.
    »Der alte Mann, den ich früher schon einmal erwähnte, der alte Mann aus Bahati in Nakuru. Er hat mir damals die Geschichte von Nding'uri erzählt, der seine Seele an einen bösen Geist verkaufte und zuletzt nur noch ein leeres Gehäuse war«, antwortet Gatuiria.
    »Aber er hat nichts davon gesagt, daß du dieses Lied benutzen sollst, um auf einem Hügel, über den die Dunkelheit hereinbricht, deinen bösen Absichten nachzugehen …«
    »Weißt du nicht, daß die Dunkelheit selbst einem schlechten Tänzer
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