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Der Geist des großen Büffel

Der Geist des großen Büffel

Titel: Der Geist des großen Büffel
Autoren: Max Kruse
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Ich
konnte gerade noch feststellen, daß mich die Kugel in den Arm getroffen hatte
und nicht ins Schmetterhemd, wo sie abgeprallt wäre, da entfalteten die geisterhaften
Patronen bereits ihre gespenstische Wirkung.
    Meine
Leser kennen sie. Wir, die wir getroffen worden waren, verwandelten uns. Unsere
Körper lösten sich in Nichts auf. Nur unsere Gerippe blieben und schimmerten
bleich — fünf Gerippe, fünf Knochengerüste, Brustkörbe, Schädel mit schwarzen
Augenhöhlen — und dies im Schein des flackernden Feuers, rot angestrahlt...
    Die
Indianer wichen zurück, sie warfen sich auf die Knie, sie verbargen die Köpfe
in den Armen. Piepsende Maus aber begann zu glucksen, zu stottern, sein Kinn
fiel herab, es zitterte, die Zähne schlugen aufeinander.
    Ich
rief ihm zu: „Häuptling Großer Büffel wird Piepsende Maus strafen!“
    Da
rauschten die Zweige, wie wenn ein Raubvogel hineinfährt. Es folgte ein Aufprall
auf den Boden, ein Schrei und dann ein Heulen, das leiser wurde, weil der
Wimmernde sich entfernte, auf wild wirbelnden Füßen, die den Waldboden
trommelten...
    Piepsende
Maus flüchtete. Wir haben ihn nie wiedergesehen. Ich aber rief meinen Skelett-Genossen
zu: „Wir können nun nichts Besseres tun, als uns gründlich auszuschlafen. Mit
dem Schlaf kehren nicht nur unsere Kräfte zurück, wir bekommen auch unser
festes Fleisch wieder. Häuptling Kleiner Stier mag das gleiche tun und sich keine Sorgen machen, so wie ich ihm sein Gesicht wiedergab, so
kehrt auch sein Leib zu ihm zurück...“
    „ Uffuff ...“ rief er unsicher durchs blanke Gebiß. Dann kroch
er in sein Zelt, wo er sich die Felle über den Schädel zog, um sich vor sich
selbst zu verstecken. Und da die durchleuchtenden Patronen gleichzeitig eine
ermüdende Wirkung hatten, fiel er schnell in Schlaf, und auch uns hörte man
bald ruhig atmen, vielleicht sogar schnarchen.

Das Pueblo
     
    Mit
dem folgenden Morgen brach für mich der Höhepunkt der Reise an: Das Pueblo, der
Schatz und (so hoffte ich brennend) ein Wiedersehen mit einem, nein, mit zwei
von uns Fortgenommenen.
    Wir
waren früh munter, der Spuk war verflogen, gleichsam ausgeschlafen. Wir fanden
uns wieder in unserer gewöhnlichen, mehr oder weniger reizvollen Gestalt, und
Häuptling Kleiner Stier wirkte wie befreit.
    Da
die Indianer uns begleiten wollten, wurde das Lager abgebrochen. Man legte die
Zelte zusammen, aller mögliche Kram wurde den Pferden oder Hunden
aufgeschnallt, sogar den Kindern. Die meisten Männer stiegen auf ihre Pferde.
Andere gingen zu Fuß — ein bunter Zug. Onkel Rab ritt
stolz auf Tatatita , dem Braunen des Häuptlings Blinde
Kuh. Unser Wagen rumpelte aus der Schlucht. Pfefferkorn zog ihn frisch und
ausgeruht, es machte ihr nichts aus, daß sich nun auch Zirkus-Joe und Little
Byrd darin befanden.
    Tante Turkie betrachtete die Karawane durch ihre Brille und
sagte zu Onkel Berni: „Diese Indianer! Ich muß zugeben, ich gewöhne mich an
sie. Sie sind eigentlich recht liebenswert. Nun — wie Kinder. Und bestimmt
nicht grausamer als mancher Weiße, ich brauche nur an den Tödlichen Colt zu
denken!“
    „Recht
hast du“, brummte er. Er wirkte bekümmert. Die Hautfalten seiner Schnauze
hingen lang herab. „Ich nehme auch nicht gern wieder Abschied von allem...“ Er
sagte es so leise, daß ich es kaum hörte und nicht beachtete. Erst später kamen
mir seine Worte wieder in den Sinn.
    Zunächst
zogen wir immer unter den steilen Wänden der Schlucht dahin. Blickte ich
hinauf, schauderte ich, an Little Byrds tollkühnen Seiltanz denkend.
    Die
Schatzkarte benutzte ich jetzt nicht. Häuptling Kleiner Stier kannte den Weg,
kannte jeden Stein, jeden Baum, jede Biegung.
    Gegen
Mittag rasteten wir an einem See. Später öffnete sich vor uns eine saftige
Ebene. Weit hinten leuchteten rote Bergkuppen. Dort mußte das Tal der
wachsenden Schatten und der rauschenden Flüsse sein. Ich zog mein Fernrohr
auseinander: „Cookie, halt an!“
    Ich
legte das Rohr über seine Schulter. Da erkannte ich den geisterhaft anmutenden,
goldbraunen Wabenbau in der gleißenden Sonne, hoch
oben an einem Felsen und so in eine riesige Aushöhlung hineingebaut, daß er mit
bloßem Auge nicht zu entdecken war. Viereckig war die Form der Gebäude... Wo
aber war der Turm, die burgartige Wohnstatt des Häuptlings?
    Tante Turkie äugte ebenfalls empor. „Geier!“ meinte sie
nachdenklich. „Geier kreisen über der verlassenen Stätte.“ Ich suchte weiter —
ich richtete mein Glas mehr nach
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