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Der Geiger: Kriminalroman (German Edition)

Der Geiger: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Geiger: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Mechtild Borrmann
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Wenn es ihm nicht gelang und der Gestank ihm in die Nase zog, spürte er einen Brechreiz.
    Wie ein Mantra wiederholte er im Geiste: ein Irrtum. In ein paar Stunden ist der Spuk vorbei. Aber es lauerten auch andere Gedanken, schoben sich bedrohlich vor. Er hörte Meschenow sagen: »Wo spielen sie? In Paris? In London? In Amsterdam? Du wirst doch sicher von ihnen gehört haben.«
    Sein Magen zog sich zusammen. Er schluckte dagegen an, wollte auf keinen Fall zu dem stinkenden Eimer. Schließlich rutschte er auf den Knien vor. Bemüht, den Behälter nicht zu berühren, stützte er sich mit den Händen an der Wand ab und erbrach sich. Minutenlang schüttelte ihn ein immer neues Würgen, bis die Magensäure in seiner Kehle brannte und nichts mehr in ihm war. Er kroch zur Decke zurück, lehnte sich an die Wand. Nein, nein, das konnte nicht sein. Tränen liefen ihm über das Gesicht.
    Langsam beruhigte er sich, fanden seine Gedanken wieder in geordnete Bahnen.
    Der Bühnenarbeiter oder der Pförtner hatten bestimmt Galina informiert? Sie war sicher schon auf der Suche nach ihm. Im Konservatorium war nach dem Konzert ein kleiner Umtrunk geplant gewesen, man würde ihn auf jeden Fall inzwischen vermissen. Wahrscheinlich wurden schon jetzt Telefongespräche geführt. Jeden Moment mochte die Tür aufgehen. Man würde sich wortreich entschuldigen, ihm seine Sachen aushändigen und ihn nach Hause fahren.
    Er rieb den Betonstaub von den Knien und den Ärmeln seiner Smokingjacke. Den Anzug würde er gleich morgen in die Reinigung bringen. Gleich nachdem sich das Missverständnis aufgeklärt und man sich offiziell bei ihm entschuldigt hatte.

Kapitel 2
    Montag, 7. Juli 2008
    S ascha Grenko stand an der Fensterfront seines großzügigen Büros im achten Stock.
    Es war früher Abend. Unter ihm schoben sich Autokolonnen stadtauswärts in den Feierabend, andere, von der Deutzer Brücke kommend, drängte es in Richtung Altstadt zu den Restaurants und Cafés, wo man den warmen Abend draußen genießen konnte. Hier oben war es still. Es gefiel ihm, dem Pulsieren der Stadt zuzusehen wie in einem Stummfilm, aber heute schenkte er den Bildern wenig Beachtung.
    Seit drei Jahren arbeitete er für Reger, der sich mit seinem Securityunternehmen auf Personenschutz und die Beschaffung von Wirtschaftsinformationen spezialisiert hatte. Die Klienten waren Unternehmen, Rechtsanwaltskanzleien und Personen, die sich Regers Preise leisten konnten. Manchmal fragte auch die eine oder andere Staatsanwaltschaft an, allerdings nie offiziell, sondern stets über die Hintertreppe.
    Reger hatte Sascha von der Straße geholt, genau genommen aus seiner Souterrainwohnung, in der er zwischen Computern, Tastaturen, Bildschirmen und einer Hantelbank gehaust hatte. Er hatte damals mehr schlecht als recht von kleinen Computerrecherchen für Journalisten gelebt, die sein Talent, auch an nichtöffentliche Informationen zu kommen, zu schätzen wussten.
    Reger hatte eines Tages in der Tür gestanden und einfach gesagt: »Kommen Sie mit, ich brauche Sie.« Sie waren hierhergefahren, in diesen schicken Büroturm mit Blick auf den Rhein, und Reger hatte ihm einen festen Arbeitsplatz angeboten. Aber das war nicht das Wichtigste gewesen. Beim Anblick der technischen Ausrüstung hatte Saschas Herz einen Sprung gemacht. »Sollte etwas fehlen, besorgen Sie es sich«, hatte Reger gesagt, und damit war die Entscheidung gefallen.
    Inzwischen bewohnte er eine geräumige Dreizimmerwohnung mit Dachterrasse mitten in der Altstadt von Köln, trug immer noch Jeans und T-Shirt, aber nicht mehr von der Stange. Seine Lederjacke war aus edel gealtertem Büffelleder, und die Firma stellte ihm einen BMW als Dienstwagen zur Verfügung. Ein neues Leben, fernab seiner Vergangenheit.
    Der Notizzettel in Saschas linker Hand war schon ganz zerdrückt. Er zog ihn glatt. Auf dem Zettel stand »Viktoria Freimann, Pension Laiber, Hubertusgasse, München«.
    Vor gut vier Stunden hatte sie angerufen. »Hier ist Viktoria Freimann«, hatte sie gesagt. »Spreche ich mit Sascha Grenko?« Er hatte sofort gewusst, wer sie war, und hatte sogar den Eindruck gehabt, er habe sie an ihrer Stimme erkannt.
    Er setzte sich an seinen Schreibtisch, schaltete die beiden überdimensionalen Flachbildschirme und das Notebook aus und schob zwei Tastaturen beiseite.
    Was wusste er noch von der Zeit in Kasachstan, von den Eltern und von der Reise in dieses Land, dessen Name zu Hause so ehrfürchtig und zuversichtlich ausgesprochen
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