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Der Geheime Orden

Der Geheime Orden

Titel: Der Geheime Orden
Autoren: Ian Smith
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Erstsemesterbeauftragten ausgearbeitet worden, dessen unanfechtbare Entscheidungen uns erst dann mitgeteilt wurden, wenn wir auf dem Yard eingetroffen waren.
    Die Angehörigen der fortgeschrittenen Jahrgänge hatten die Wahl, außerhalb des Campus zu wohnen, was allerdings kaum jemand wahrnahm. Stattdessen lebte jeder von ihnen in einem der sagenhaften Häuser, riesigen roten Backsteinbauten in georgianischer Tradition, von denen jedes ein paar hundert Studenten, Lehrbeauftragte und die so genannten Hausmeier beherbergen konnte, die Verwalter der entsprechenden Residenz. Es gab insgesamt zwölf Häuser, die meisten von ihnen benannt nach ehemaligen Universitätspräsidenten. Mein Haus trug den Namen des zweiundzwanzigsten Präsidenten von Harvard, des berühmten Abbott Lawrence Lowell. Es stand genau in der Mitte des ausgedehnten Campus, unweit der Sportanlagen auf der anderen Seite des Flusses und der Hörsaalgebäude, die sich um den Yard gruppierten. Es gab zwei entscheidende Gründe dafür, dass ich zusammen mit dem nervösen Percy in Lowell landete. Erstens entpuppte sich mein Zimmergenosse im ersten Studienjahr als Irrer aus dem westlichen Montana, der jeden Tag kniehohe Kampfstiefel und eine grüne Armeejacke trug, von der er behauptete, dass schon sein Onkel in Vietnam sie getragen hätte. Er und ich schafften es gerade so durch das erste Jahr, ohne uns gegenseitig umzubringen, und als es an der Zeit war, uns Mitbewohner für das zweite Studienjahr auszusuchen, gingen wir frohen Herzens einen Pakt ein, dass wir uns jeweils ein Haus am entgegengesetzten Ende des Campus suchen würden. Der zweite Grund, warum ich mich für Lowell entschied, war der, dass ich Mitglied der Basketballmannschaft war, was es mit sich brachte, dass ich den größten Teil meiner Freizeit mit meinen Mannschaftskameraden und anderen Sportlern in den Trainingsanlagen oder im Kraftraum verbringen würde. So gerne ich auch über Football und Basketball redete, wollte ich doch in einem Haus wohnen, in dem ich gezwungen wäre, mich mit anderen Studenten anzufreunden, die den Unterschied zwischen einem Touchdown und einem Homerun nicht kannten. Willkommen in Lowell, dem ruhigen Domizil der Durchgeknallten, das sich stolz mit einem zweiundzwanzigjährigen Assistenten des Instituts für Mathematik brüstete, der bereits seinen Doktor hatte und nach dem im reifen Alter von sechzehn Jahren ein Theorem benannt worden war.
    Die renommiertesten Häuser wie Eliot, Winthrop, Leverett, Kirkland und Dunster wurden am Ufer des River Charles erbaut. Andere wie Lowell, Quincy und Mather werden ebenfalls zu diesen Häusern am Fluss gerechnet, wenngleich sie streng genommen nicht am Wasser gebaut sind, sondern etwas landeinwärts liegen. Mather House war ein hässliches, festungsähnliches Gebäude, das ein bisschen abseits weiter flussabwärts lag. Adams House war mittlerweile das favorisierte Domizil der Alternativen – Künstler, Schwule, Schauspieler und so weiter – und lag näher am Yard etwas zentraler auf dem Campus. North und Cabot befanden sich in einem Bereich, den man wegen seiner rechteckigen Form ein wenig lieblos »Quad« nannte. Diese Häuser waren die jüngsten und am besten ausgestattet; ungeschickterweise jedoch waren sie auf dem alten Campus des Radcliffe College für Frauen erbaut worden, sozusagen in einem fernen, fremden Land. Im Quad zu wohnen bedeutete, dass man entweder den Pendelbus zum Fluss nehmen oder dreißig Minuten lang zu Fuß gehen musste, was sich im eiskalten Bostoner Winter eher wie eine ganze Stunde anfühlte. Langer Rede kurzer Sinn, Lowell passte mir ausgezeichnet, selbst mit einem Aristokraten am Rande des Nervenzusammenbruchs als Mitbewohner. Ein Traum, verglichen mit diesem Militärfanatiker aus meinem ersten Jahr, der – ich schwöre – für den Fall einer Revolution einen Revolver in seinem Kleiderschrank versteckt hatte.
    Wie dem auch sei, als ich an jenem Morgen das Science Center mit der geheimnisvollen Einladung in meinem Rucksack erreichte, hatte ich die Hälfte meiner Biologievorlesung über die Mendelsche Vererbungslehre bereits verpasst. Pflichtbewusst verbrachte ich die andere Hälfte der Veranstaltung damit, eine Antwort an eine Verflossene zu schreiben, die mich gerade darüber informiert hatte, dass sie sich mit einem meiner ältesten Rivalen von einer benachbarten Highschool eingelassen habe. Mit einem schwer angeschlagenen Ego ließ ich es an keinem Adjektiv fehlen, als ich ihr all die schönen
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