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Der Geheime Orden

Der Geheime Orden

Titel: Der Geheime Orden
Autoren: Ian Smith
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bei meiner Ehre schwören musste und immer noch säuberlich zusammengefaltet in der Brieftasche trug, meine Hand. Die Worte durchliefen meine Gedanken, wenn ich allein im Dunkeln war, und erfüllten mein Herz mit einer Angst, die so tief in der Brust hämmerte, dass mir am nächsten Morgen die Rückenwirbel schmerzten.
    Und doch, die Zeit ist die Mutter aller Veränderung. Ihre Kräfte lösten schließlich die Lähmung, die meine Hände gefesselt hatte, befreiten meinen Geist und verschlangen meine Angst. Während ich hier bei einem weiteren dieser erlesenen Abendessen neben meinem alten Freund Jon Carderro sitze, bin ich mir sicher, dass seit den unvorhersehbaren drei Monaten in meiner Jugend genug Jahre verstrichen sind. Es brauchte den größten Teil meines Erwachsenenlebens, um herauszufinden, was damals wirklich geschah, und zu entdecken, dass ich nur dazu verleitet worden war zu glauben, dass ich mir diese Bestimmung selbst gewählt hatte, während sie mir in Wahrheit von jenen zugeführt worden war, deren Gesichter ich sah, aber nicht durchschaute.
    Der alte Mann hatte einst gesagt: »Weisheit ist eines der wenigen funkelnden Geschenke unter den peinigenden Begleiterscheinungen des Alterns.«
    Jetzt bin ich bereit, dieses Geschenk vorsichtig auszupacken und die Welt daran teilhaben zu lassen.
    Diese trügerische Reise ist nicht nur eine Expedition in die Welt der Macht und des Geldes gewesen, sondern auch eine Betrachtung über unbeugsame Ehre und tragischen Mord. Es geht um eine hinter dichten Schleiern verborgene Welt voller dunkler Geheimnisse und gezielter Lügen, die verwoben ist mit der Geschichte einer bemerkenswerten Bruderschaft und eines der kühnsten Diebstähle an einer der bedeutendsten Universitäten der Welt. Dies ist die Geschichte der Altehrwürdigen Neun.

1
     
    H ARVARD C OLLEGE
    C AMBRIDGE , M A
    2. O KTOBER 1988
     
    Der kleine, cremefarbene Umschlag traf mitten in der Nacht ein, von unbekannter Hand unter der Tür hindurchgeschoben. Er sah kostspielig und schlicht zugleich aus und besaß weder Poststempel noch Absender, nichts außer meinem Namen und meiner Zimmernummer, die eine Hand sorgsam und in ausladenden Buchstaben kalligraphiert hatte.
     
    Spencer Collins
    Lowell House L-11
     
    Der Umschlag war so klein, dass er auf meine Handfläche passte. Ich drehte ihn um in der Hoffnung, einen Hinweis auf seinen Absender zu entdecken, doch was ich auf der Rückseite entdeckte, erschien mir noch rätselhafter.

     
    Ich blickte auf drei Fackeln, reliefartig hervorgehoben und von tiefblauer, fast schwarzer Farbe. Sie waren perfekt in der Mitte der Verschlusslasche positioniert, als hätte jemand ein Lineal hervorgeholt und es ausgemessen. Bedächtig öffnete ich den Umschlag und fühlte mich beinahe schuldig, als ich das teure Papier aufriss. Der brüchige Briefbogen war farblich auf den Umschlag abgestimmt, und dieselben drei Fackeln nahmen einen herausgehobenen Platz im Briefkopf ein.
     
    Präsident und Mitglieder des Delphic Club laden Sie herzlich ein zu einer Cocktailparty am Freitag, den 15. Oktober, 19 Uhr in der Brattle Street 108 in Cambridge.
    Tel. 876-0400 bitte nur bei Verhinderung.
     
    Ich las die Einladung mehrere Male durch, und jedes Mal blieben mehr Fragen als Antworten. Was war der Delphic Club? Und noch viel wichtiger: Warum hatten sie mich zu einer Cocktailparty eingeladen? Ich suchte nach einem zweiten Umschlag, um herauszufinden, ob sie meinen Mitbewohner, Percival L. Hollingsworth III. der tief und fest in seinem Zimmer schlief, ebenfalls eingeladen hatten. Percy – er hasste es, wenn man ihn so nannte, doch hinter seinem Rücken tat es jeder – war nicht der Mitbewohner meiner Wahl, war aber dank Harvards zunehmend komplizierteren Wohnheimplatz-Verlosungssystems in jenem Herbst zusammen mit mir in Lowell-11 gelandet. Als wir uns am ersten Tag unseres zweiten Studienjahrs die Hände schüttelten – er in einem gestreiften Button-Down-Hemd und ausgelatschten burgunderroten Slippern, ich in einem gerippten Sweatshirt und Laufschuhen – war ich sicher, dass sich in der dreihundertfünfzigjährigen Geschichte Harvards niemals gegensätzlichere Personen eine Unterkunft geteilt hatten.
    Meine Suche nach Percys Einladung verlief ergebnislos. Entweder hatte er keine bekommen, oder er hatte sie bereits mit in sein Zimmer genommen. Wie auch immer – damals spielte es keine Rolle. Ich war bereits zehn Minuten zu spät dran für mein Seminar in höherer Biologie, und mein
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