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Der Gegenschlag - Extreme Measures

Der Gegenschlag - Extreme Measures

Titel: Der Gegenschlag - Extreme Measures
Autoren: Vince Flynn
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dass Jessica tot war. Aus irgendeinem Grund konnte er sich keines der Gesichter der Menschen vorstellen, die ums Leben gekommen waren. »Es war kein guter Tag für uns«, sagte er nur.
    Sie rieb seine Hand. »Es tut mir leid, Liebling.«
    Nash betrachtete ihr schönes Gesicht und lächelte ihr beruhigend zu. »Ich bin okay.«
    Er stieg die Treppe hinauf und wollte nach den Kindern sehen, doch dann beschloss er, zuerst zu duschen.
Sie sollten ihren Vater nicht mitten in der Nacht mit einem blutigen Hemd sehen. Nash zog sich aus und trat in die Dusche. Er ließ sich das heiße Wasser über die Schultern strömen und atmete tief ein, und als die Anspannung nachzulassen begann, kamen die Gesichter zurück. Chris Johnson war der Erste. Er stellte sich vor, wie seine letzten Stunden gewesen sein mochten, und schauderte angesichts der Qualen, die er durchgemacht haben musste. Dann kamen die Bilder von den Leuten, mit denen er im NCTC zusammengearbeitet hatte. Er dachte an Jessica, wie sie mit einem Einschussloch in der Stirn dalag. Er dachte an ihre kleinen Jungen. Sie waren erst neun und sechs. Und jetzt war ihre Mutter für immer fort.
    Es schnürte ihm die Kehle zu. Er versuchte dagegen anzukämpfen, doch es war nicht aufzuhalten. Die Tränen begannen zu fließen. Nash sank langsam auf den Boden der Dusche hinunter. Während das Wasser weiter auf ihn niederprasselte, begann er hemmungslos zu schluchzen. Es ging ihm gar nicht gut.

76
    Lonsdale stand auf der Terrasse ihres Büros im Kapitol. Sie blickte nach Norden und sah, dass da immer noch Blaulicht auf der anderen Seite des Dirksen Senate Office Building war. Die Bergungsarbeiten waren erst vor wenigen Stunden zu Ende gegangen, etwa dreißig Stunden nach dem Anschlag. Ein Überlebender, ein Angestellter des Restaurants, war im Keller gefunden worden. Alle anderen waren tot. Sieben Senatoren und neun hochrangige
Mitarbeiter, darunter ihr eigener Stabschef Ralph Wassen. Dreiundsiebzig Menschen waren allein bei dem Anschlag auf das Monocle ums Leben gekommen. Die Opferbilanz stand somit bei 185 Toten und 211 Verletzten.
    Lonsdale nahm einen Zug von ihrer Zigarette und dachte sich, wie schnell ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt worden war. Noch vor eineinhalb Tagen hatte sie in ihrem anderen Büro gesessen, so erledigt von ihrer Niederlage in der Ausschusssitzung, dass sie nicht einmal zu einem Mittagessen mit einem Journalisten gehen konnte. Die Tatsache, dass sie Wassen an ihrer Stelle hingeschickt hatte, fügte ihrem Kummer auch noch Schuldgefühle hinzu. Wie hatte sie nur so blind für die Gefahr sein können? Diese Frage hatte sie sich in den vergangenen Stunden sicher schon hundertmal gestellt.
    Im Moment dachte sie nicht an die Medien, auch wenn sie wusste, dass sie bald genug zu ihr kommen würden. Nachdem ihre Amtszeit noch fünf Jahre dauerte, war sie sich nicht sicher, ob sie sich noch einmal der Wiederwahl stellen würde. Heute aber wusste sie, was sie zu tun hatte. Es war ihr in ihrer schlaflosen Nacht bewusst geworden, als sie sich hin und her wälzte und sich immer wieder die gleichen Vorwürfe machte. Die Worte, die ihr in den Sinn kamen, erschienen ihr wie die dicken Lettern einer Zeitungsschlagzeile: Naiv, selbstgerecht, dumm, irrational, scheinheilig. Die Liste war schier endlos. Sie war so überzeugt davon gewesen, im Recht zu sein, dass sie sich auf eines der ältesten politischen Spielchen in Washington eingelassen hatte. Anstatt die Sache nüchtern und ernsthaft zu betrachten, hatte sie sich zu einer Haltung verleiten lassen, die möglichst großen politischen Nutzen versprach. Dabei war sie so weit gegangen, ihre
Gegner als Schurken hinzustellen - Kennedy, Rapp, Nash und viele andere. Sie hatte sich eingeredet, dass sie die eigentliche Bedrohung darstellten.
    Jetzt, wo das Echo der Explosionen immer noch in der ganzen Welt widerhallte, war es vorbei mit diesen Spielchen. Sie sah ganz deutlich zwei Möglichkeiten vor sich, und obwohl sie Wassen nicht mehr um Rat fragen konnte, wusste sie doch, was er ihr geraten hätte. Sie blickte zum Supreme Court hinüber und spürte ein gewisses Bedauern. Von allen Gebäuden auf dem Capitol Hill bedeutete ihr das Haus des Obersten Gerichtshofes vielleicht am meisten. Ihre Entscheidung würde ihr wohl noch eine Weile zu schaffen machen.
    »Senatorin Lonsdale«, rief ihr eine Mitarbeiterin von der Tür aus zu. »Ihre Besucher sind da.«
    Lonsdale drückte ihre Zigarette aus und drehte sich um. Sie forderte
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