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Der gefrorene Rabbi

Der gefrorene Rabbi

Titel: Der gefrorene Rabbi
Autoren: Steve Stern
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die ihm besonders geschäftsmäßig erschien. »Und woß du willst für sie?«
    Der Bauer spitzte die Ohren. »Seit wann ist sie zu verkaufen?«
    Mit einem betont kaufmännischen Achselzucken erwiderte Salo: »Ist alles zu verkaufen, mein Freund.«
    Nachdenklich legte der Bauer die teigige Stirn in Falten; diese Sprache verstand er. »Für fünfzehn Zloty gehört sie dir«, sagte er schließlich.
    Das war ein astronomischer Betrag, was dem Bauern natürlich bewusst war, doch Salo ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er saugte an einem Zahn und musterte die Frau von oben bis unten, wie um ihren Wert zu taxieren. Überrascht stellte er fest, dass die spindeldürre Gestalt und das mürrische, trotz ihrer Not wütende Gesicht ein sanft pochendes Verlangen in ihm auslösten. Das war eine völlig neue Empfindung für ihn, und erschauernd wie die gezupfte Saite einer Fiedel staunte Salo über die Vielfalt an Leidenschaften, die die weite Welt zu bieten hatte. Er wandte den Kopf ab, um einen imaginären Tabakpriem auszuspucken.
    Inzwischen hatte der Bauer begonnen, den verwitterten Sarg auf dem Karren zu beäugen. Salo folgte seinem Blick und ahnte bereits, was als Nächstes folgen würde: Der Mann würde sehen wollen, was in dem Kasten verborgen war, Salo würde der Bitte nachkommen, um die weiteren Verhandlungen zu erleichtern, woraufhin sich der Bauer prompt bekreuzigen und mit seiner Gefangenen das Weite suchen würde.
    Um dieser Eventualität vorzubeugen, plärrte der junge Mann: »Sag ich dir woß«, und schlug ihm ein schlichtes Tauschgeschäft vor. »Diesen edlen Vollblutgaul gegen deinen verschlissenen alten Drachen. Woß du meinst dazu?«
    Der Bauer wurde auf dem falschen Fuß erwischt. Zuerst fixierte er Salo argwöhnisch, dann schwenkte er den Kopf von der Mähre zu der Frau und wieder zurück, offenkundig hin und her gerissen zwischen der Kühnheit dieses Angebots und einem unwiderstehlichen Pferdehändlerinstinkt. »Wer ist da verschlissener?«, wollte er wissen.
    »Na, schaust du selbst.« Salo fand allmählich seinen Rhythmus. »Woß du willst von der noch holen raus? Ein paar Monate, höchstens ein Jahr noch, dann sie ist erledigt, und du schaufelst ihr Grab. Der Gaul aber, wird er dich wahrscheinlich überleben.«
    Der Bauer war fassungslos. »Die Mähre ist klappriger als der Drachen! Die ist doch reif für die Leimfabrik.« Er setzte ein verständnisheischendes Grinsen auf. »Außerdem sind Frauen besser zum Ficken.«
    Salo ließ sich nicht anmerken, dass ihm diese Wendung des Gesprächs nicht behagte. »Spinnst du? Zerbrechen die Knochen der Alten doch wie Streichhölzer, während du von dem Gaul kannst erwarten jedes Jahr ein frisches Fohlen.« Er war sich selbst nicht ganz klar, wen er sich als Vater dieser Fohlen vorstellte.
    »Ich soll spinnen?« Der Bauer wollte seinen Ohren nicht trauen.
    »Genau«, setzte Salo nach. »Würdest du dich begnügen mit einem kurzen Moment der Leidenschaft mit einem beschmutzten Weib, dem man anriecht die Blattern« - er war sich bewusst, dass die gefesselte Frau vor Zorn kochte -, »wenn du könntest genießen jahrelang Wohlstand, woß dir nur kann bieten ein Zugpferd?«
    Erstaunlicherweise geriet der Bauer allmählich ins Wanken. Allerdings verhärtete er sich wieder, als Salo ein wenig zu dick auftrug und von Bat-Schevas reinrassigem Stammbaum schwadronierte. Doch nachdem der Bursche seinen Ton wieder gemäßigt hatte, schlug der jokl mit widerstrebendem Gehabe in den Handel ein und übergab die Leine im Austausch gegen die Zügel der abgeschirrten Mähre. Aber als das Geschäft unter Dach und Fach war, setzte der Bauer eine hämische Miene auf. »Dich wär ich los«, sagte er zu der Frau, um zu zeigen, dass er Salo hereingelegt hatte: Der Nichtjude hatte den Juden überlistet. Als Salo sah, wie der Mann die dürrbeinige Schindmähre seines Vaters wegführte und diese den Schwanz hob wie einen Putzlumpen, um einen Klumpen in den Morast fallen zu lassen, tat ihm das Tier leid. Ihr stand kein glückliches Schicksal bevor. Doch das Leben war zwar hart, hielt aber auch unerwartete Geschenke bereit. Erfreut über den Handel, den er trotz der Reaktion des Bauern als erfolgreich bewertete, wandte sich der junge Mann seinem Gewinn zu.
    Sie spuckte ihn an, dann schleuderte sie ihm einen Strom gehässiger Verwünschungen entgegen. »Schtik drek! Grober jung! Pisch ich in die Milch fun deiner Mutter!«
    Aber Salo, der sich daranmachte, die straff gespannte Schlinge von ihrem
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