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Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Titel: Der Garten der verlorenen Seelen - Roman
Autoren: C.H.Beck
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erscheinen zu lassen, aber dabei ist Unstimmigkeit herausgekommen – das Kinn ist zu lang, die Nase zu knollig, die Augen sind asymmetrisch. Gut geraten ist einzig der kleine, nach dem Vorbild dieses deutschen Führers getrimmte Schnurrbart.
    Hastig hängen Arbeiter weitere, kleinere Bilder seiner Gefolgsleute auf, den austauschbaren Ministern der Verteidigung, der Finanzen und der Inneren Sicherheit, deren Position so unsicher ist, dass vielleicht schon vor dem Ende des Tages neue Bilder in Auftrag gegeben werden. Fadumo geht voraus zur Tribüne, die anderen folgen, wohl wissend, dass es überall ungemütlich sein wird; die nächsten sieben Stunden lang wird es keinen Schatten, keine Ruhepause, kein Essen geben. 1987 ist ein Dürrejahr, und am Morgenhimmel zieht wieder ein erbarmungsloses, wolkenloses Blau auf.
    Filsan hat die vergangenen drei Nächte nicht geschlafen. Sie hatte die Verantwortung für drei Guddi-Einheiten, die ihr ständig Probleme bereiteten. Nicht einmal im Albtraum hätte sie sich eine zänkischere, untauglichere, schwatzhaftere Truppe vorstellen können. Schließlich hat sie eine der Einheiten ins Saba’ad-Flüchtlingslager zurückgeschickt, damit sie eine Gruppe von Kindern in traditionellem Tanz unterrichtet, aber wahrscheinlich werden sie nicht einmal das hinbekommen. Mittlerweile hat sich eine Einheit am Nordeingang des Stadions postiert, während die andere Nachzügler aufsammelt und entlang der Paradestrecke Abfall entfernt und die Obdachlosen verjagt. Die VIPs werden zwar erst in einer Stunde erwartet, aber das Stadion sieht immer nochnackt und chaotisch aus; die meisten Teilnehmer kommen erst noch, und nur der Himmel weiß, ob sie bei ihrer Ankunft überhaupt präsentabel aussehen.
    Filsan verbringt den 21. Oktober zum ersten Mal in Hargeisa, und im Vergleich zu dem, was sie aus Mogadischu gewöhnt ist, kommt ihr alles chaotisch vor. Genau achtzehn Jahre ist es jetzt her, dass der Präsident durch einen Militärputsch an die Macht kam, und die Feiern in Mogadischu zeigen das System von seiner Schokoladenseite, alle arbeiten zusammen, damit etwas Schönes geschaffen wird. General Haaruun, der Militärbefehlshaber der Nordwestregion, wird den Präsidenten in Hargeisa vertreten und hat die Militärparade geplant, die mit einer Flugschau beginnt und endet. Der zivile Teil der Zeremonie ist von den Guddi zusammengestückelt worden, ein Anlass für sie, dilettantischen Gesang, Tanz und Vortrag darzubieten.
    Filsan streicht über die Zinken des Plastikkamms in ihrer Hosentasche und kaut auf der Unterlippe herum; sie betrachtet das leere Podium, auf dem General Haaruun und die Würdenträger Platz nehmen werden, und stellt sich vor, wie sie dort in der Mitte sitzt, nicht als seine Begleiterin, sondern als seine Nachfolgerin, und ihren Untertanen zuwinkt. Ihre Stiefel sind schön poliert, ihre Kakiuniform ist sauber und mit Bügelfalten versehen, das schwarze Barett ist gebürstet und sitzt im perfekten Winkel auf ihrem Kopf. Die Augen hat sie dezent mit Kajal umrandet und mit den Fingern Farbe auf die Lippen gedrückt. Sie sieht immer noch aus wie sie selbst, etwas hübscher, ein wenig weiblicher; bis jetzt hat sie sich diesen Spielchen verweigert, aber wenn die anderen Soldatinnen auf diese Weise Aufmerksamkeit bekommen, warum dann nicht auch sie?
    Filsan schiebt den Kamm tiefer in die Hosentasche und zieht den Uniformrock über dem Po glatt. Als sie am Südeingang vorbeieilt, salutieren zwei Polizisten in Zivil, die einander einen lächelnden Blick zuwerfen. Verärgert verzieht Filsan das Gesicht, weiß sie doch, dass sie ihr gleich auf den Hintern starren werden. Vor dem Südeingang bilden die Militärkonvois eine Schlange: Panzer, Jeeps, gepanzerte Fahrzeuge, Lastwagen mit allen erdenklichen Raketen und Geschossen, neben undin den Fahrzeugen warten geduldig grünbehelmte Soldaten. Bei ihrem Anblick empfindet Filsan Stolz. Sie ist Teil der drittgrößten Armee Afrikas, einer Streitmacht, die 1978 ganz Äthiopien und nicht nur den Ogaden eingenommen hätte, wenn die Russen und Kubaner nicht die Seiten gewechselt hätten.
    Filsan geht den Konvoi entlang, und anders als die notdürftig ausgebildeten Polizisten starren oder lächeln die Soldaten sie hier nicht an; sie erweisen ihr den Respekt, der einem anderen Soldaten gebührt. Schon immer hat sich ihr Leben um diese Männer gedreht, angefangen bei ihrem Vater bis hin zu ihren Politologie-Dozenten am Halane College; ihr Urteil hat für sie
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