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Der futurologische Kongreß

Der futurologische Kongreß

Titel: Der futurologische Kongreß
Autoren: Stanislaw Lem
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seine Bruderhand zu drücken und ihm dabei tief in die Augen zu schauen. Dem grimmigsten Feind hätte ich die Wangen abgeschmatzt. Die Butter schmolz, prasselte und rauchte; einmal ums andere erlosch sie. – Meine Butter wird immer kaputter – dieser Reim versetzte mich in einen Lachkrampf, obwohl ich mir indessen mit den Streichhölzern die Finger versengte, als ich wieder einmal den Papierdocht anzuzünden suchte. Das Butterlicht gloste kaum, ich aber summte halblaut Arien aus alten Operetten und achtete nicht darauf, daß mich der Qualm im Hals würgte und daß mir Tränen aus den entzündeten Augen über die Wangen rollten. Als ich aufstand, stolperte ich über einen Koffer und plumpste der Länge nach hin. Doch auch die eigroße Beule, die meiner Stirn entsproß, steigerte meinen Frohsinn (wenn eine Steigerung noch möglich war). Ich lachte, halb erstickt vom stinkenden Rauch, der gleichfalls nichts gegen meinen Freudentaumel vermochte. Ich legte mich aufs Bett; seit dem Morgen stand es ungebettet, obwohl der Mittag längst vorüber war. Des Personals, das solche Nachlässigkeit bewies, gedachte ich wie leiblicher Kinder: außer zärtlichen Koseworten und Verkleinerungen kam mir nichts in den Sinn. – Selbst wenn ich hier ersticken sollte – so durchblitzte es mich –, dann wäre dies die vergnüglichste, netteste Todesart, die ich mir wünschen könnte. – Diese Feststellung widerstritt so sehr meinem ganzen Naturell, daß sie auf mich wie ein Wecksignal wirkte. Mein Geist spaltete sich seltsam entzwei. Weiterhin erfüllte ihn abgeklärte Helligkeit, allumfassendes Wohlwollen; die Hände aber waren so begierig, irgendwen zu liebkosen, daß ich aus Mangel an außenstehenden Personen mir selber sacht die Wangen zu streicheln und neckisch die Ohren zu zupfen begann; auch reichte ich viele Male die rechte Hand der linken, um beide kräftig zu drücken. Selbst in den Beinen zappelten mir zärtliche Gebärden. Bei alledem hatten sich zuunterst in meinem Ich gleichsam Warnlichter entzündet. »Da stimmt was nicht!« – rief in mir eine ferne schwache Stimme. »Aufgepaßt, Ijon, sei wachsam, hüte dich! Diese Heiterkeit ist verdächtig! Los, rühr dich! Hoppauf! Suhl dich nicht im Sitz wie ein Onassis, tränend vor Rauch und Ruß, du mit deiner Stirnbeule und mit deinem allgemeinen Wohlwollen! Dahinter verbirgt sich schwarzer Verrat!« Diesen Stimmen zum Trotz rührte ich keinen Finger. Nur die Gurgel dorrte mir aus. Das Herz hämmerte mir im übrigen schon lang, doch dies hatte ich auf die jählings erwachte Allerweltsliebe zurückgeführt. Ich ging ins Badezimmer, ich hatte gräßlichen Durst. Ich dachte an den versalzenen Salat des Banketts oder vielmehr dieses Stehbuffets und dann versuchsweise an die Herren J.W., H.C.M. und M.W. und an meine sonstigen ärgsten Feinde. Ich stellte fest, daß ich ihnen kein anderes Gefühl entgegenbrachte als den Wunsch nach einem herzhaften Händedruck, einem geschmalzenen Schmatz und ein paar Worten brüderlichen Gedankenaustauschs. Dies war nun wahrlich alarmierend! Ich erstarrte, die eine Hand am Nickelhahn, in der anderen das leere Glas. Meine Gesichtsmuskeln verzerrte ein sonderbarer Krampf. Ganz langsam füllte ich Wasser ein, und während ich im Spiegel den Zwist der eigenen Gesichtszüge sah, goß ich es wieder weg. Das Leitungswasser! Ja! Kaum hatte ich davon getrunken, da hatten in mir diese Wandlungen eingesetzt! Im Wasser mußte etwas drin sein! Was aber? Gift? Mir war keines bekannt, das auf diese Art … Oder doch! Halt! Ich bin ja ein fleißiger Abonnent der wissenschaftlichen Fachpresse. »Science News« hatte kürzlich über neue psychotrope Mittel aus der Gruppe der sogenannten Benignatoren oder Gutstoffe berichtet, die dem Geist gegenstandslose Freude und Heiterkeit aufzwingen. Natürlich! Wie gedruckt stand mir die Meldung vor dem geistigen Auge. Hedonil, Benefizil, Edelpassionat, Euphorasol, Felixol, Altruisan, Schmusium und Unmengen von Derivaten! Bei Ersatz der Hydroxylgruppen durch Amidgruppen gewinnt man andererseits aus denselben Ausgangsstoffen Furiasol, Rabiat, Sadin, Flagellan, Aggressium, Frustrandol, Amokgeist und viele andere wutbildende Präparate aus der sogenannten Moritatgruppe (wie der Name sagt, nötigen sie zur Grausamkeit gegen alles Lebende oder Leblose im Umkreis; am wirksamsten sind angeblich Trampelin und Prygelin). Aus diesen Gedanken riß mich das Klingeln des Telefons; auch das Licht strahlte wieder auf. Die Stimme eines
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