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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos
Autoren: Thomas Finn
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Rückseite stand inzwischen ebenfalls in Flammen, und selbst der Verkaufstresen schwelte bereits.
    Sein Blick streifte die große Maschine mit dem seltsamen Parabolschirm, die mitten im Raum stand. Der verfluchte Apparat aus dem Fleet!
    Himmelherrgott, wie kam die hierher? Sollte an der verrückten Geschichte doch etwas Wahres sein?
    Erst jetzt entdeckte er den leblosen kleinen Körper neben dem Tresen. Der Knabe war bewusstlos. Seine Haare waren versengt und die Lippen rissig. Er lag unter einem halbverkohlten schweren Regal, an dem rote Flammenzungen emporleckten. Kettenburg stolperte hustend darauf zu und versuchte, die beißende Hitze nicht zu beachten. Hastig warf er Tasche und Dienststock neben die Maschine, dann hob er den Spaten und hieb ihn wie eine Axt in das Holz der zusammengebrochenen Regalwand. Ein halbes Dutzend Schläge später lag das schwere Brett, unter dem der Junge eingeklemmt war, zertrümmert vor ihm.
    Auch Kettenburg schwanden zunehmend die Sinne. Keuchend zog er den Jungen zur Raummitte und schlug ihm auf die Wangen. Nichts.
    In diesem Augenblick brach vor dem Haus die Hölle los. Eine brennende Lawine aus Schindeln und Dachsparren stürzte auf die Straße und versperrte den Rückweg. Immer mehr Rauch wirbelte in den Raum, der Kettenburg inzwischen so heiß wie ein Ofen vorkam. Verloren. Er war verloren. Vielleicht noch eine halbe Minute, dann würde auch ihm das Bewusstsein schwinden.
    Sein tränender Blick fiel auf die Zeitmaschine, deren Metallgestänge aufgrund des Feuers ringsum zu glühen schien. Nein, eine einzige, völlig irrwitzige Fluchtmöglichkeit blieb ihm noch. Mit letzter Kraft zog er den Jungen hoch und warf ihn quer über den Sattel der seltsamen Apparatur. Dann zwängte er sich auf den Sitz davor, griff halb besinnungslos nach seiner Aktentasche am Boden und zog sie keuchend auf den Schoß. Fahrig suchte er nach dem Kristallstab. Hatte der Blonde nicht behauptet, die verfluchte Maschine arbeite nicht ohne diesen Stab? Sein Blick fiel auf ein silbernes Gewinde gleich neben einem Hebel, das wie geschaffen schien für den Stab. Keuchend fixierte er ihn.
    Die Decke über ihm gab nach. Brennende Balken stürzten auf den Tresen, und irgendwo war ein seltsames Glucksen zu hören. Vor Kettenburgs Augen tanzten rotschwarze Schlieren. Noch versuchte er sich am Hebel festzuhalten, doch dann kippte er vornüber.

 

Asche & Ruinen
     
    Elbchaussee 1842, 20. Mai,
    21 Minuten nach 2 Uhr am frühen Nachmittag
     
    T obias saß im Garten der Lewalds auf der feinen Chaiselongue mit dem geblümten, rosenholzfarbenem Bezug und sah Caroline nachdenklich dabei zu, wie sie am Teich mit Jakob spielte. Die Strahlen der Frühlingssonne umschmeichelten ihren zierlichen Körper, und er lächelte bei ihrem Anblick.
    Von der Elbe her war ein lang gezogenes Tuten zu hören. Auf dem Fluss fuhr ein Dampfsegler gemächlich die Strömung hinauf. Gut möglich, dass das Schiff Hilfsgüter in die Hansestadt schaffte.
    Hamburg hatte vier Tage lange gebrannt. Am Nachmittag des 8. Mai war endlich ein Gewitter über der Stadt niedergegangen und hatte die Kraft der Flammen gebrochen. Fast ein Drittel der gesamten Stadtfläche war zerstört. Drei Kirchen, über siebzig Straßen und mit ihnen Tausende von Häusern, Wohnungen und Buden waren Opfer des Infernos geworden. Irgendwann hatte sich der Senat dazu durchgerungen, Gebäude und ganze Hauszeilen zu sprengen, darunter auch das Stadthaus von Salomon Heine. Doch für solche Maßnahmen war es viel zu spät gewesen. Am Ende waren sogar die Pulvervorräte zur Neige gegangen. Rathaus, Alte Börse, Jungfernstieg, Zuchthaus, zwei Brauhäuser und über einhundert Speicher mitsamt den Handelswaren, die darin lagerten, waren den Flammen zum Opfer gefallen. Das alte Hamburg gab es nicht mehr.
    Aus der Trümmerwüste in der Innenstadt ragte allein das Gebäude der Neuen Börse empor, die der Brand wie durch ein Wunder verschont hatte. Die darin eingeschlossenen Verteidiger waren den Flammen schließlich teelöffelweise mit Wasser entgegengetreten, da sie am Ende kaum noch etwas von dem kostbaren Nass besaßen.
    Und wie Tobias’ Fechtlehrer erzählt hatte, waren jetzt fast zwanzigtausend Menschen obdachlos. Sie kampierten in Zelten und Bretterbuden in den Ruinen und vor den Stadtwällen. Etwa hundertzwanzig von ihnen waren mit schweren Verletzungen davongekommen, und einundfünfzig Menschen hatten den Brand nicht überlebt. Doch wie man inzwischen wusste, waren zweiundzwanzig
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