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Der fuenfte Berg

Der fuenfte Berg

Titel: Der fuenfte Berg
Autoren: Coelho
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war als vorher.«
    Das Feuer beleuchtete einige Tränen, die den Menschen über das Gesicht liefen. Sogar die Kinder, die sonst während der nächtlichen Treffen spielten, hörten aufmerksam zu. Elia fuhr fort.
    »Das ist unwichtig. Wir haben unsere Pflicht dem Herrn gegenüber erfüllt, weil wir Seine Herausforderung und die Ehre Seines Kampfes angenommen haben. Vor jener Nacht hat Er uns immer wieder gesagt: >Geh!< Doch wir haben nicht hingehört. Warum?
    Weil jeder von uns schon seine Zukunft beschlossen hatte: Ich dachte daran, Isebel vom Thron zu stoßen; die Frau, die jetzt Wiederbegegnung heißt, wollte, daß ihr Sohn Seefahrer würde; der Mann, der heute den Namen Weisheit trägt, wollte nur den Rest seiner Tage beim Weintrinken auf dem Platz verbringen. Wir waren so an das heilige Mysterium des Lebens gewöhnt, daß wir ihm keine Bedeutung mehr zumaßen.
    Da sagte der Herr zu sich: Sie wollen nicht gehen? Dann sollen sie lange Zeit stehenbleiben!
    Und erst dann verstanden wir Seine Botschaft. Der Stahl der assyrischen Schwerter nahm uns unsere jungen, und Feigheit ergriff unsere erwachsenen Männer. Wo sie auch immer geblieben sind, sie werden stehen geblieben sein. Sie haben den Fluch Gottes angenommen.
    Wir hingegen haben gegen den Herrn gekämpft. So wie wir gegen die Frauen und die Männer, die wir in unserem Leben geliebt haben, kämpften. Denn dieser Kampf segnet uns und läßt uns wachsen. Wir haben die Möglichkeit, die das Unglück in sich trug, genutzt und haben unsere Pflicht Ihm gegenüber erfüllt, indem wir bewiesen haben, daß wir dem Befehl, vorwärts zu sehen, gehorcht haben. Selbst unter den schlimmsten Umständen sind wir vorangeschritten.
    Es gibt Augenblicke, in denen Gott Gehorsam verlangt. Doch es gibt auch Augenblicke, in denen er unseren Willen erproben will und uns herausfordert, Seine Liebe zu begreifen. Wir haben diesen Willen begriffen, als die Mauern von Akbar fielen: Sie haben unseren eigenen Horizont erweiten, haben zugelassen, daß jeder von uns sah, wozu er fähig ist. Wir haben aufgehört, über das Leben nachzudenken, und beschlossen, es zu leben.
    Das Ergebnis ist gut.«
    Elia bemerkte, daß die Augen der Menschen wieder leuchteten. Sie hatten begriffen.
    »Morgen werde ich Akbar kampflos übergeben. Ich bin frei zu gehen, wann ich will, weil ich erfüllt habe, was der Herr von mir erwartete. Dennoch liegen mein Blut, mein Schweiß und meine einzige Liebe im Boden dieser Stadt, und daher habe ich beschlossen, bis zum Ende meiner Tage zu bleiben, um zu verhindern, daß sie wieder zerstört wird. Ein jeder möge entscheiden, wie er will, doch vergeßt eins nicht: Ihr seid viel besser, als ihr gedacht habt.
    Nehmt die Chance wahr, die das Unglück euch gegeben hat. Nicht jeder ist fähig, dies zu tun.«
    Damit hob Elia die Versammlung auf. Dem Jungen sagte er, er würde spät nach Hause kommen und er solle ins Bett gehen und nicht auf ihn warten.
    Er ging zum Tempel, dem einzigen Ort, der der Zerstörung entgangen war und den sie nicht wiederaufbauen mußten, obwohl die Statuen der Götter von den Assyrern mitgenommen worden waren. Respektvoll berührte er den Stein, der die Stelle bezeichnete, an dem, wie die Tradition besagte, der Gründer der Stadt seinen Stab in den Boden gesteckt hatte und ihn nicht wieder herausziehen konnte.
    Er dachte, daß Isebel jetzt solche Tempel in Israel errichtete und sich darin ein Teil seines Volkes in den Staub warf, um Baal und seine Götter anzubeten. Erneut berührte ihn
    eine düstere Vorahnung. Der Krieg zwischen dem Gott Israels und den Göttern der Phönizier würde lange dauern, länger als er sich vorstellen konnte. Er sah wie in einer Vision Sterne die Sonnenbahn kreuzen und Zerstörung und Tod über die beiden Länder bringen. Menschen, die in fremden Zungen sprachen, ritten auf stählernen Tieren und duellierten inmitten der Wolken.
    »Nicht das ist es, was du jetzt sehen sollst, denn die Zeit dafür ist noch nicht gekommen«, hörte er seinen Engel sagen. »Sieh aus dem Fenster.«
    Elia tat, wie ihm geheißen. Draußen beschien der Vollmond die Häuser und die Straßen Akbars und, obwohl es schon spät war, konnte er die Gespräche und das Lachen seiner Bewohner hören. Trotz der Rückkehr der Assyrer hatte dieses Volk noch Lebenswillen und war bereit, eine neue Etappe in seinem Leben anzugehen.
    Da sah er eine Gestalt und wußte, daß es die Frau war, die er so sehr geliebt hatte und die jetzt zurückkam und stolz durch ihre
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