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Der fuenfte Berg

Der fuenfte Berg

Titel: Der fuenfte Berg
Autoren: Coelho
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und die Alten von Akbar ihren Namen und ihre neue Identität. Als die Zeremonie vorüber war, forderte Elia alle auf, früh schlafen zu gehen, weil sie am nächsten Morgen wieder viel Arbeit erwartete.
    Dann nahm er den Jungen bei der Hand, und sie gingen zu der Stelle auf dem Platz, wo sie aus einigen Stoffbahnen ein behelfsmäßiges Zelt aufgespannt hatten. An diesem Abend begann Elia den Jungen die Schrift von Byblos zu lehren.
    Aus Tagen wurden Wochen, und Akbar veränderte sein Gesicht. Der Junge lernte schnell, die Buchstaben zu malen, und bald konnte er schon Wörter bilden, die einen Sinn ergaben. Elia beauftragte ihn damit, die Geschichte des Wiederaufbaus der Stadt auf Tontäfelchen zu schreiben.
    Die Tontafeln wurden in einem improvisierten Ofen zu Keramik gebrannt und sorgfältig von einem alten Ehepaar
    archiviert. Bei den allabendlichen Versammlungen bat er die Alten, aus ihrer Kindheit zu erzählen, und zeichnete so viele Geschichten wie möglich auf.
    »Wir werden die Erinnerung Akbars auf einem Material bewahren, das das Feuer nicht zerstören kann«, erklärte er. »Unsere Kinder und Enkelkinder sollen erfahren, daß wir die Niederlage nicht akzeptiert und das Unabwendbare überwunden haben, und sich an uns ein Beispiel nehmen.«
    Jeden Abend, nach dem Alphabet-Unterricht, wanderte Elia durch die leere Stadt, bis dahin, wo die Straße nach Jerusalem begann; es drängte ihn fortzugehen, doch er schob es immer wieder auf.
    Die schwere Verantwortung zwang ihn, sich ganz auf die Gegenwart zu konzentrieren.
    Er wußte, daß die Bewohner von Akbar auf ihn zählten. Er hatte sie einmal enttäuscht, als er unfähig gewesen war, den Tod des Spions - und den Krieg - zu verhindern. Doch Gott gibt seinen Kindern immer eine zweite Chance, und die mußte er ergreifen. Der Junge wuchs ihm immer mehr ans Herz, und so brachte er ihm nicht nur die Buchstaben von Byblos bei, sondern auch den Glauben an den Herrn und das Wissen seiner Vorväter.
    Dabei vergaß er nicht, daß in seinem Land eine fremde Prinzessin und fremde Götter herrschten. Es gab keine Engel mit Flammenschwertern mehr. Er war frei, aufzubrechen, wann er wollte, und zu handeln, wie er es für richtig hielt.
    Jede Nacht war er drauf und dran fortzugehen. Und jede Nacht hob er die Hände zum Himmel und betete:
    »Jakob hat eine ganze Nacht gerungen und wurde in der Morgenröte gesegnet. Ich habe tagelang, monatelang gegen Dich gekämpft, und Du weigerst Dich, mich anzuhören. Wenn Du aber um Dich blickst, wirst Du sehen, daß ich siege: Akbar ersteht aus den Ruinen, und ich baue das wieder auf, was Du, indem Du die Schwerter der Assyrer benutztest, zu Staub und Asche gemacht hast.
    Ich werde mit Dir kämpfen, bis Du mich und die Früchte meiner Arbeit segnest. Eines Tages wirst Du mir antworten müssen.«
    Frauen und Kinder schleppten Wasser auf die Felder und kämpften gegen die Dürre, die nicht aufzuhören schien. Eines Tages, als die unbarmherzige Sonne voller Kraft herniederbrannte, hörte Elia jemanden sagen:
    »Wir arbeiten ohne Unterlaß, wir erinnern uns nicht mehr an den Schmerz jener Nacht, wir haben sogar vergessen, daß die Assyrer wiederkommen werden, sobald sie Tyrus, Sidon, Byblos und ganz Phönizien geplündert haben. Das hat uns gut getan. Doch weil wir uns so sehr auf den Wiederaufbau der Stadt konzentrieren, sehen wir keine Veränderung. Wir sehen das Ergebnis unserer Mühen nicht.«
    Elia dachte über diese Bemerkung nach. Und forderte dann alle auf, sich allabendlich am Fuße des Fünften Bergs zu versammeln, um nach dem langen Arbeitstag gemeinsam den Sonnenuntergang zu betrachten.
    Sie waren zumeist so müde, daß sie kein Wort miteinander wechselten. Doch sie entdeckten, wie wichtig es war, die Gedanken ziellos schweifen zu lassen, wie die Wolken am Himmel. So flohen Angst und Beklemmung aus den Herzen aller, und sie fanden wieder Mut und Kraft für den kommenden Tag.
    Als Elia erwachte, verkündete er, daß er heute nicht arbeiten würde.
    »Heute wird in meinem Land der Vergebungstag gefeiert.«
    »In Eurer Seele ist keine Sünde«, meinte eine Frau. »Ihr habt das Bestmögliche getan.«
    »Aber die Tradition verlangt es so. Und ich werde ihr nachkommen.«
    Die Frauen brachen auf, um Wasser auf die Felder zu bringen, die Alten kehrten zu ihrer Arbeit zurück, die Mauern wieder aufzurichten und die hölzernen Tür- und Fensterrahmen zu bearbeiten. Die Kinder formten kleine Tonziegel, die später gebrannt werden würden. Elia
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