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Der fuenfte Berg

Der fuenfte Berg

Titel: Der fuenfte Berg
Autoren: Coelho
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geführt, um ihm zu zeigen, daß der Mensch sein Schicksal erwählen und nicht einfach annehmen muß.
    Vor vielen Jahren, in einer Nacht wie dieser, hatte Jakob Gott nicht gehen lassen, bevor er ihn nicht gesegnet hatte. Das war, als Gott ihn gefragt hatte: »Wie heißt du?«
    Das war das Problem. Einen Namen zu haben. Als Jakob ihm geantwortet hatte, hatte ihn Gott auf den Namen Israel getauft. Jeder hat einen Namen, der ihm als Säugling gegeben wurde, doch er muß lernen, sein Leben mit dem Wort zu taufen, das er erwählt hat, um ihm einen Sinn zu geben.
    »Ich bin Akbar«, hatte sie gesagt.
    Die Zerstörung der Stadt, der Verlust der geliebten Frau waren notwendig gewesen, damit Elia begriff, daß er einen Namen brauchte. In diesem Augenblick nannte er sein Leben Befreiung.
    Er erhob sich und schaute auf den Platz vor ihm: Noch immer stieg Rauch aus der Asche der Verstorbenen. Indem er Feuer an die Leichname gelegt hatte, hatte er einen sehr alten Brauch seines Landes in Frage gestellt, der verlangte, daß Menschen den Ritualen entsprechend beerdigt werden mußten. Er hatte mit Gott und der Tradition gekämpft, als er sich für die Verbrennung entschieden hatte, doch er fühlte, daß darin keine Sünde lag, wenn man eine neue Lösung für ein neues Problem brauchte. Gott war unendlich
    barmherzig - und schonungslos gegen alle, die nicht den Mut zum Wagnis hatten.
    Er blickte abermals auf den Platz. Einige der Überlebenden schliefen noch immer nicht und starrten in die Flammen, als hätte dieses Feuer auch ihre Erinnerungen, ihre Vergangenheit, die zweihundert Jahre Frieden in Akbar verbrannt. Die Zeit der Angst und des Wartens war vorüber. Jetzt gab es nur entweder den Wiederaufbau oder die Niederlage.
    Wie Elia konnten auch sie einen Namen für sich finden. Versöhnung, Weisheit, Geliebter, Pilger. Es gab so viele Möglichkeiten wie Sterne am Himmel, doch jeder mußte seinem Leben einen Namen geben.
    Elia betete:
    »Herr, ich habe gegen Dich gekämpft und schäme mich dessen nicht. Und deshalb habe ich entdeckt, daß ich auf meinem Weg bin, weil ich es so wollte, und nicht, weil es mir von meinen Eltern, von den Traditionen meines Landes oder von Dir auferlegt wurde.
    Zu Dir, Herr, möchte ich in diesem Augenblick zurückkehren. Ich möchte Dich mit der ganzen Kraft meines Willens loben und nicht aus Feigheit, weil ich keinen anderen Weg weiß. Dennoch muß ich weiter gegen Dich kämpfen, bis Du mich segnest, damit Du mir Deine wichtige Mission anvertraust.«
    Akbar wieder aufbauen. Was Elia für eine Herausforderung an Gott gehalten hatte, war in Wahrheit eine Wiederbegegnung mit Ihm.
    Die Frau, die ihn nach etwas zu essen gefragt hatte, kam am nächsten Morgen in Begleitung von zwei weiteren Frauen wieder.
    »Wir haben verschiedene Lager gefunden«, sagte sie. »Da viele gestorben und viele mit dem Stadthauptmann geflohen sind, ist genügend Nahrung da, um ein Jahr lang zu überleben.«
    »Findet alte Leute, die die Verteilung der Lebensmittel überwachen«, sagte er. »Sie haben Erfahrung im Organisieren.«
    »Die Alten wollen nicht mehr leben.«
    »Bittet sie dennoch zu kommen.«
    Die Frau wandte sich zum Gehen, als Elia sie fragte:
    »Könnt Ihr die Buchstaben benutzen?«
    »Nein.«
    »Ich habe es gelernt und kann es Euch beibringen. Ihr werdet es brauchen, um mir bei der Verwaltung der Stadt zu helfen.«
    »Aber die Assyrer werden zurückkommen.«
    »Wenn sie kommen, brauchen sie Hilfe bei der Verwaltung der Stadt.«
    »Warum wollt Ihr das für den Feind tun?«
    »Ich tue dies, damit jeder seinem Leben einen Namen geben kann. Der Feind ist nur ein Vorwand, um unsere Kraft auszuloten.«
    Die Alten kamen - genau wie er vorausgesagt hatte.
    »Akbar braucht eure Hilfe«, sagte Elia. »Und deshalb könnt ihr euch nicht einfach dem Altsein hingeben. Wir brauchen die Jugend, die ihr verloren habt.«
    »Wir wissen nicht, wo wir sie finden können«, entgegnete einer von ihnen. »Sie ist hinter den Runzeln und den Enttäuschungen verschwunden.«
    »Das ist nicht wahr. Ihr hattet niemals Illusionen, und das ist der Grund, weshalb sich die Jugend verborgen hat. Jetzt ist der Augenblick gekommen, sie zu suchen, denn wir haben einen gemeinsamen Traum: den Wiederaufbau von Akbar.«
    »Wie können wir etwas so Unmögliches tun?«
    »Mit Begeisterung.«
    Die von der Traurigkeit und der Mutlosigkeit verschleierten Augen wollten wieder leuchten. Sie waren nicht mehr die nutzlosen Bewohner, die an den Gerichtsversammlungen
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