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Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Titel: Der Fruehling des Commissario Ricciardi
Autoren: Maurizio de Giovanni
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Mädchens verließen, das noch nie gesprochen hatte.
    »Der Herrgott ist kein Händler, der seine Schulden samstags zahlt.«
    Die Blicke aller Zuschauer waren auf sie gerichtet. Irgendjemand klatschte sogar, weil er dachte, die Szene gehöre zum Stück. Die Schauspieler auf der Bühne sahen sich überrascht an.
    Romor tat einen Schritt nach vorn; er blinzelte und schützte seine Augen mit der Hand vor dem Licht der Scheinwerfer, um besser in den Zuschauerraum blicken zu können. Dann sagte er: »Mama? Bist du’s?«
    Ricciardi starrte wie versteinert auf den Geist der Alten, den Antonietta perfekt verkörperte. Er spürte, wie sich ihm die Lungen zusammenzogen und die Luft mit einem Mal aus seinem Mund entwich.
    Ein furchtbarer Schrei ertönte, die schrille Stimme eines verzweifelten Kindes. Attilio warf sich von der Bühne, seine Augen traten aus ihren Höhlen hervor, die hochgezogene Oberlippe gab seine Zähne frei.
    »Verfluchte Hexe, du bist nicht meine Mutter!«
    Maione sprang überraschend gelenkig von seinem Platz auf und packte die Beine des Schauspielers, womit er ihn zu Fall brachte. Doch trotz des nicht unerheblichenGewichts des Brigadiere schleppte sich der Mann, die Hände zu Klauen geformt, weiter in Richtung des Mädchens; seinem verzerrten Mund entfuhr ein entsetzliches Brüllen. Antonietta ihrerseits ließ ihn nicht aus den Augen und wiederholte weiter den letzten Satz der Calise. Erst als auch Ardisio und Cesarano dazwischengingen, hielt Attilio ein und begann zu weinen.
LXII
    Erzählt mir bloß nicht, dass das meine Mutter ist. Die verfluchte Hexe, diese billige Hure. Sagt nicht, dass wir dasselbe Blut haben.
    Ich erinnere mich gut an meine Mutter. Mag sein, dass sie etwas älter war als die Mütter der anderen Kinder der Anstalt, aber dafür klüger. Sie sagte mir, ich muss arbeiten, du kannst nicht bei mir leben. Aber du wirst alles von mir bekommen, mehr als die anderen Kinder, die nur eine Garnitur Kleider haben, nur einen Bleistift, ein Heft. Nicht wie ich ... Mich überhäuft meine Mutter mit Sachen. Und wisst ihr warum? Weil ich schön bin.
    Die Schwestern und die Lehrerin sind in mich vernarrt. Ich pfeif ’ auf meine Schulkameraden, die mich ins Klo gesperrt und verprügelt haben, ohne mich ins Gesicht zu schlagen natürlich – das hätte man gesehen und sie wären bestraft worden. Auf die pfeife ich.
    Je älter und schöner ich wurde, desto mehr Sachen hat Mama mir geschenkt. Sie hat gesagt, dass sie nur mich hat, dass ich alles bekommen sollte. Und ich wollte alles, weil man sich schnell an schöne Dinge gewöhnt. Wenn ich etwas wollte, bekam ich es von ihr. Sie hat gesagt, dass ich einfach so geboren wurde, nicht einmal sie wusste genau,wie es damit zugegangen war; mal war mein Vater ein Matrose, der sich aus dem Staub gemacht hat, ein andermal, wenn ich brav gewesen bin, war es ein vornehmer Herr, oder, wenn sie sich über mich ärgerte, ein betrunkenes Schwein. So ist meine Mutter.
    Jetzt bin ich kein Kind mehr und möchte Schauspieler sein. Weil ich schön bin, hab’ ich das schon gesagt? Und ich kann singen und tanzen. Wenn sie nein sagen, dann nur, weil sie neidisch sind, weil sie schlechter sind als ich. Mutter sagt, dass niemand wissen darf, dass ich ihr Sohn bin, sonst zahlen sie nicht und sie kann mir kein Geld geben. Darum gehe ich nachts zu ihr, heimlich, und sie sagt mir, was ich tun soll. Keine Ahnung, woher sie das Geld hat. Mutter sagt mir, dass die Pförtnerin, die Mutter der Bekloppten, ihr Geld für ihre Tochter spart. Also hat sie zu ihr gesagt, dass sie beide gleich sind, beide leben für ihre Kinder. Die Frau hat’s aber nicht verstanden, vielleicht ist sie genauso bekloppt wie ihre schwachsinnige Tochter. Aber ich bin schön, Mama lächelt, wenn sie mich ansieht. Und sie sagt mir, was ich tun soll, was ich sagen soll.
    Also kommt mir nicht an und behauptet, dass die alte Hexe meine Mutter ist. Ich vergesse nichts, was meine Mutter mir gesagt hat. Und tue es auch, Wort für Wort. Wenn ich nicht mit ihr sprechen kann, weiß ich nicht weiter. Und mache Fehler.
    Bei Emma habe ich alles so gemacht, wie meine Mutter es mir gesagt hat. Sie hat lange nach einer geeigneten Dame gesucht. Dann sagt sie mir eines Tages, dass sie die Richtige jetzt gefunden hat. Eine Kusine, die ich nicht kenne und die nicht einmal weiß, dass es mich gibt, hat sieihr angeschleppt. Und Mutter hat wie immer alles eingefädelt, bis ins Detail. Sie hat mir gesagt, wo ich sein und was ich sagen
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