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Der Fremde aus dem Meer

Titel: Der Fremde aus dem Meer
Autoren: Amy J. Fetzer
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halb tote Überlebende sich in das Meer erbrach. Tess?
    Ungeduldig vor Neugier, rüttelte sie an der Reling, während die Rettungsmannschaft ein Brett ins Wasser und unter den Überlebenden schob. Nachdem sie die Gurte befestigt hatten, wandte sich ein Taucher dem Kutter zu und winkte fröhlich lächelnd. Bindar gab Befehl beizudrehen. Pennys Knie gaben nach, und der bahamaische Captain machte schon einen Satz nach vorne, aber sie konnte sich gerade noch aufrecht halten, indem sie mit den Händen nach der dünnen Stahlreling griff.
    »Gott sei Dank!«, murmelte Bindar an ihrer Seite, und Penny nickte. »Ich muss ehrlich zugeben, Ma’am, dass ich nicht erwartet habe, sie noch lebendig aufzufinden.«
    »Ich auch nicht, Lieutenant.« Sie entfernte sich ein paar Schritte, setzte ihren Hut gerade und wischte sich unauffällig die Tränenspuren ab, als das Schlauchboot anlegte. Sie wollte nach Backbord gehen, aber Bindar hielt sie am Arm fest. Beim Anblick der von Hoffnung erfüllten Augen setzte sein Herz einen Augenblick lang aus.
    »Sie ist vielleicht ... äh ... das Wetter und die vielen Tage im Wasser...«
    »Ich verstehe, aber sie ist der einzige Mensch, den ich habe.«
    Penny trat näher heran, hielt jedoch Abstand, als die Seeleute eine Art Korb an Bord hievten. Keuchend schnappte sie nach Luft und stolperte zurück, die Hand auf den Mund gepresst. Alles Leid und alle Qualen kamen zurück, drückten sie erbarmungslos nieder, drohten ihr den Atem zu nehmen.
    Es war nicht Tess.
    Als sie sich abwandte, blickten die Matrosen sich an und starrten dann auf den Mann hinab. Fassungslos vor Schmerz und Qual konnte sie das, was sie sah, nicht begreifen. Dann stieg Ärger in ihr hoch, und aufs Neue wurde sie von Schmerz und Schuldgefühlen gepackt. O Gott, was für eine Schuld! Um ihrer eigenen geistigen Gesundheit willen durfte sie die Hoffnung nicht aufgeben. Doch jetzt schien selbst dieser winzige Hoffnungsschimmer zunichte. Sie sah auf und begegnete Bindars Blick, der sie mit unverhohlenem Mitleid ansah.
    »Zum Teufel, ich wünschte, Sie hätten überhaupt nichts gefunden«, zischte sie leise, und seine Augen weiteten sich kaum merklich. »Wissen Sie, was das bedeutet?« Wütend deutete ihr Arm auf den Überlebenden.
    Bindars Blick richtete sich kurz auf den Horizont. »Yes, Ma’am, das weiß ich.« Er zögerte einen Augenblick lang. Dann fragte er: »Sollen wir die Suche abbrechen?«
    »Nein!«, schrie sie laut. Dann fuhr sie leiser fort. »Nein. Es gibt noch immer eine Chance.« Sein Gesichtsausdruck sagte das Gegenteil. Pennys Herz krampfte sich zusammen, und ein stechender Schmerz fuhr ihr durch die Brust. »Noch ein paar Tage. Ich brauche Antworten, Lieutenant, und ich werde für zusätzliche Männer aufkommen, für Überstunden und alles Weitere.« Ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Ich muss es einfach wissen.«
    Bindars Schultern sanken nach vorne. Er nickte. Dann sprach er in ein Handfunkgerät, während sie den Kopf zum Himmel hob. Zwei Rettungshubschrauber kreisten über ihren Köpfen. Sie flogen einmal hin und her und dann hinaus auf das Meer. Sie warf einen kurzen Blick auf den Mann, der schlaff in dem Korb hing, während ein Arzt ihn untersuchte. Ein Hippie, dachte sie, mit langem Haar. Ihre Empörung wuchs. Hart brach die Realität über sie herein, und bevor sie etwas sagte, was sie später bereuen würde, ging sie mit schnellen Schritten auf das Steuerhaus zu.
    Sloane Rothmere! Das war ihr Fehler gewesen. Was immer Sloane Rothmere in das Päckchen getan hatte, das Tess für Penny stahl ... es hatte ihre Freundin umgebracht.

4
    Mit der Schulter an die Wand gelehnt, rieb Penny sorgenvoll am Griff der Porzellantasse, wobei sie durch das Bullauge hinaus auf das vorbeischießende Wasser blickte. Tröpfchen spritzten auf das dicke Glas, verschmolzen mit der durchsichtigen Oberfläche, verschwanden spurlos ins Nichts. Wie Tess. Heiße Tränen brannten hinter ihren Augen, und sie schluckte ihren Kummer und ihre Verzweiflung hinunter. Fragen, auf die sie keine Antwort hatte, hämmerten unablässig in ihrem Kopf, machten sie wütend, frustrierten sie. Wäre Tess noch am Leben, hätte sie den Kontakt zu ihr gesucht. Nach dem Strohhalm zu greifen, dass Sloane sie vielleicht irgendwo gefangen hielt, war sinnlos. Sloane war hinterhältig. Die Boshaftigkeit, die sie im College an den Tag gelegt hatte, bewies, dass sie das Geschick hatte, ihre Spuren mit Geld zu verwischen, und Tess wurde zum letzten Mal
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