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Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay
Autoren: Kaye Dobbie
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unfreundlich hinzu.
    Meggy verhielt sich ruhig. Selbst ein Aborigine-Halbblut, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich in Mrs Gibbons Gegenwart ab und an taub zu stellen.
    Alice ordnete die beanstandete Haarpracht und steckte das weiße Häubchen wieder fest. Während die Köchin ordentlich und flink ein Tablett zurechtmachte, stand sie wartend neben dem Tisch.
    »Nimm das und pass auf mit der Treppe«, wies die ältere Frau sie an und trocknete ihre tränenden Augen mit den Schürzenzipfeln. Die Zwiebeln waren erst zur Hälfte gehackt, aber Mr Cunningham liebte sie so, wie Mrs Gibbons sie machte, und lobte sie stets dafür. In einem Anflug von Rebellion fragte sich Alice, ob er sie ebenso schätzen würde, müsste er sie selbst hacken.
    Manchmal wurde das Mädchen von ihren eigenen Gedanken überrascht. Sie kamen unerwartet, und ihr Inhalt entsprach so gar nicht den Vorstellungen, mit denen sie erzogen worden war. Ab und zu erschienen sie ihr sogar so fremd, als hätte ein anderer sie erdacht.
    Die Hintertreppe führte vom Gang vor der Küchentür und neben der Spülküche nach oben. Alice stieg vorsichtig die Stufen hinauf, sorgfältig auf das Tablett achtend. Die Tritte waren glatt, das Holzgeländer rau und die Wände nachgedunkelt. Da die Treppe nur den Dienstboten als Aufgang diente, wurde auf solche Dinge nicht geachtet.
    Oben angekommen, fand sich Alice in einer Welt mit weichen Teppichen und extravaganten Tapeten wieder. Das Glasfenster am anderen Ende des Korridors erstrahlte im Abendlicht in einem Kaleidoskop aus Grün, Rosa und Blau – die Farben unwirklich wie in einem Märchenbuch. Alice richtete das Tablett wieder richtig aus und warf einen kurzen Blick auf das Fenster, das erst letzten Monat vollendet worden war. Es zeigte eine Frau inmitten eines Wasserwirbels, leicht geschürzt mit etwas, das Alice an den dunkelbraunen Seetang erinnerte, der sich nach jedem Sturm am Strand sammelte.
    Hier im Ostflügel des Hauses lagen die besten Schlafzimmer, die den erwachsenen Familienmitgliedern und ihren Gästen vorbehalten waren. Die Kinder schliefen im Westflügel. Ambrosine Cunninghams Schlafzimmer lag an der Front des Hauses, war groß und sehr feminin eingerichtet. In diesem Zimmer verbrachte Madam den größten Teil ihrer Zeit, wenn sie sich nicht in ihrem Empfangszimmer in Erdgeschoss aufhielt. Schön, elegant und mit ausgezeichneten Umgangsformen, schien sie die perfekte Gattin für einen Mann wie Cosmo zu sein. Doch was verbarg sich hinter ihrem stets ruhigen Lächeln?
    Eine große, weite Leere, dachte Alice. Sie hielt Berties Mutter für eine selbstsüchtige, verwöhnte Frau.
    Sie klopfte und öffnete die Schlafzimmertür. Blinzelnd stellte sie fest, dass es drinnen durch die zugezogenen Vorhänge dunkler war als auf der Hintertreppe. Überall im Zimmer standen kleine Beistelltischchen und allerlei Zierrat herum. Orientalische Teppiche bedeckten den Boden, die Stühle waren mit üppigen Hussen verhüllt und von dicken Kissen gekrönt. Der Einfluss und der Reichtum der Cunninghams spiegelte sich in allen Details der Einrichtung wider. Alice bekam kaum Luft angesichts der Fülle. Wäre das ihr Zimmer, dann würde jetzt die kühle Abendluft durch weit geöffnete Fenster ins Zimmer strömen und die dunklen Schatten vertreiben.
    »Wer ist da?« Die sanfte Stimme klang fragend. Rosie Cunningham hob den Kopf von der Ottomane und beschattete die Augen mit der Hand, als ob sie das fahle Licht vom Gang kaum ertragen könnte. Auch der Hund neben ihr, ein kleines Knäuel aus cremefarbenem langem Haar, richtete den Kopf mit dem blauen Satinband auf und kläffte entrüstet.
    »Ach, Alice. Bringst du Brühe? Komm her damit, bitte.«
    Alice tat, wie ihr geheißen, und stellte das Tablett auf ein Tischchen neben der Ottomane. Dabei versuchte sie, weder die Vase mit den weißen Rosen noch die Fotos im Goldrahmen, die Riechsalzfläschchen oder die Wasserkanne mit dem Silberdeckel zu verrutschen oder hinunterzustoßen. Mrs Cunningham sah ihr mit halb geschlossenen Lidern zu und streichelte dabei abwesend den Hund. Krank sah sie für Alice nicht aus.
    Früher an diesem Nachmittag hatte Mrs Cunningham Modell für ein Porträt gesessen, das ihr Mann in Auftrag gegeben hatte. Da war es ihr anscheinend noch gut gegangen. Aber der Maler, Mr Marling, sah auch besser aus und schien interessanter zu sein als Cosmos Gäste. Von ihren eigenen Gedanken überrascht, zuckte Alice unwillkürlich zurück, als könnte die andere
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