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Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay
Autoren: Kaye Dobbie
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sehen, was in ihrem Kopf vorging.
    »Danke, Alice.«
    »Darf ich Ihnen Tee einschenken?« Das schlechte Gewissen zwang Alice zu einer Beflissenheit, die ihr sonst eher fremd war.
    Rosie Cunningham hob die Lider und richtete ihren Blick auf Alice, überrascht und auch ein wenig amüsiert. »Das ist nicht nötig. Danke, Alice.«
    Alice machte einen Schritt zurück und beförderte dabei versehentlich einen kleinen Gegenstand unter die Ottomane. Mrs Cunningham hatte einen feinen Seidenschal mit einem Muster aus Blumen und Früchten übergeworfen, der in großzügigen Falten bis auf den Boden hinabreichte. Alice bückte sich, fühlte durch die rutschigen Seidenbahnen, bis sich ihre Hand um etwas Hartes schloss. Ein Elfenbeinknopf in Form einer Blume. Einer Rose.
    Alice erkannte ihn sofort. Er gehörte zu Mr Marlings dunkelblauer Weste. Sie hatte die Knöpfe schon häufiger bewundert, wenn sie ihm an der Tür Hut und Stock reichte oder ihn die Treppen hinauf zu dem Zimmer am Ende des Gangs brachte, das er als Studio nutzte. Mr Marling zufolge war das Licht dort besser als in Ambrosines Empfangszimmer im Erdgeschoss. Und er führte an, dass Störungen durch Kinder oder Dienstboten dort weniger häufig seien. Es waren nur wenige Schritte von dort bis zu Madams Schlafzimmer, zu ihrer Ottomane. Der Knopf hatte dort eigentlich nichts verloren.
    Der Hund sprang auf einmal von der Liegestatt herunter und bellte sie an. »Sei still, Cleo. Was machst du da, Alice?« Mrs Cunninghams Stimme klang verdrossen, und etwas in ihrem verschleierten Blick mahnte Alice zur Vorsicht. Ihre Finger schlossen sich fest um den Knopf, sodass die Rose sich in ihre Haut drückte.
    »Mein Absatz hatte sich in Ihrem Schal verfangen, Madam. Ich habe ihn gelöst.«
    Mrs Cunningham sah ihr direkt ins Gesicht. »Ah so«, sagte sie leise. »Das ist alles für den Augenblick, Alice.«
    Alice verließ das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Ihre Knie zitterten. Sie betrachtete den Knopf in ihrer Hand. Die Rose war voll erblüht und üppig, wie die Rosen in Madams Garten. Alice schob den Knopf in ihre Tasche und machte sich wieder auf den Weg nach unten.
    »Was ist los?«, fragte Meggy. »Du bist die ganze Zeit so ruhig.«
    Jenseits der Tür erklang das volltönende Gelächter des Hausherrn, das von den Parteifreunden erwidert wurde, die er aus Melbourne mitgebracht hatte. Lange Jahre waren sie alle an der Ausarbeitung der Verfassung beteiligt gewesen, die die alte Queen letztes Jahr kurz vor ihrem Tod unterschrieben hatte. Und nun gehörten die Männer zur ersten Regierung Australiens, das am 1. Januar 1901 ein Staatenbund geworden war.
    Cosmo Cunningham hatte Alice eines Morgens davon erzählt. Sie war mit einem Eimer Küchenabfälle zu den Hühnern unterwegs gewesen, als er sie hinter dem Haus aus Versehen fast über den Haufen geritten hatte. Er erklärte ihr, was ein Staatenbund war, dass sich die Einzelstaaten der Kolonie Australien zusammengeschlossen hatten und nun fester miteinander verbunden waren als Mrs Gibbons Korsettstangen. Obwohl immer noch der britischen Krone zugehörig, war Australien jetzt selbstständig und stark. Jeder wusste, dass es den deutschen und französischen Großmachtgelüsten etwas entgegensetzen musste. Eine große Armee unter einer gemeinsamen Führung war der erste Schritt dazu. Es gab noch andere Gründe für den Zusammenschluss, doch Cosmo war hauptsächlich mit den militärischen Belangen beschäftigt. Kein Wunder, befand sich doch sein Schwager mit einer Einheit der Australian Lighthorse Kavallerie in Südafrika, um den Kampf gegen die Buren zu unterstützen.
    Erst letzten Monat hatte der erste Generalgouverneur, Lord Hopetoun, die Feierlichkeiten zur Gründung des Staatenbunds geleitet, die mit Paraden und Aufmärschen unter großer Anteilnahme der begeisterten Bevölkerung begangen wurden. Lord Hopetoun beauftragte Mr Edmund Barton mit der Bildung der Übergangsregierung, die bis zu den Wahlen im März im Amt bleiben sollte. Cosmo Cunningham gehörte zu den Kabinettsmitgliedern.
    »Bei diesen Wahlen werden die Wähler ihre Vertreter im Parlament bestimmen. Sie können so festlegen, wem sie den Aufbau ihres Landes anvertrauen. Männern mit Erfahrung und Charakterstärke, die einen Kurs berechnen und ihn einhalten können, sollte ihnen auch der Wind ins Gesicht blasen«, erklärte Cosmo Alice.
    »Wäre ich ein Mann, würde ich Ihnen meine Stimme geben, Sir«, war es Alice herausgerutscht. Er lachte volltönend und
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