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Der Fluch von Colonsay

Titel: Der Fluch von Colonsay
Autoren: Kaye Dobbie
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Angelegenheiten zu kümmern. Später hatte sie jedoch über diesen Satz nachgedacht. Hieß das etwa, dass Cosmo gar nicht der überaus beliebte Gastgeber war, für den er sich hielt?
    Alice wollte das nicht hoffen. Sie mochte Cosmo Cunningham. Er war groß, kräftig, grauhaarig und hatte eine laute Stimme. Meist roch er nach den Zigarren, deren Rauch er so liebte. Seine Augen unter den gesenkten Lidern blickten freundlich, und er fragte Alice immer nach ihrer Familie, wenn er sie bemerkte. Er vergaß Alice’ Vater niemals die Rettung vor dem sicheren Tod in der eisigen Port Phillips Bay. Die Bucht hatte sich damals nach einem plötzlichen Wettersturz in ein Chaos aus haushohen Wellen und prasselndem Regen verwandelt. Cosmo war in seiner Jugend gern segeln gegangen, und Alice’ Vater, damals selbst noch ein Bub, hatte ihn stets begleitet. Ja, sie mochte Cosmo Cunningham. Was sie von Mrs Cunningham nicht behaupten konnte.
    Cosmo liebte seine junge Frau und war stolz auf ihre Schönheit. Jeder wusste das. Man konnte es ihm ansehen, wenn er sie anblickte. Sie sah mit dem dunklen, hochgesteckten Haar und den Familiensmaragden an ihrem schlanken Hals auch wirklich bezaubernd aus. In ihrem Besitz befanden sich so viele Kleider und Schuhe, dass Alice sich gar nicht alle merken konnte. Es dauerte immer ewig, bis sie sich angekleidet hatte. Selbst ihr Name war wundervoll: Ambrosine. Cosmo nannte sie allerdings zärtlich Rosie.
    Mrs Gibbons liebte Ambrosine ebenfalls und verwöhnte sie mit appetitanregenden Leckereien, denn um die Gesundheit der Hausherrin stand es nicht zum Besten. Empfindsam, so nannte Mrs Gibbons sie. Alice hörte das alles mit Verwunderung. Es war doch seltsam, dachte sie, dass Ambrosine immer dann krank wurde, wenn Cosmo missliebige Gäste ins Haus brachte. Für gewöhnlich handelte es sich dabei um seine Parteifreunde. Aber seit der Kopfnuss behielt Alice ihre Gedanken lieber für sich.
    Das Paar hatte einen Sohn und eine Tochter. Es gab ein Kindermädchen für die kleine Ada und eine Gouvernante für beide Kinder. Bernie, der Sohn, würde bald aufs Internat gehen – er war schon zehn. Alice würde ihn vermissen, sie hatten sich angefreundet.
    Bertie Cunningham war ein netter, freundlicher Junge, und sie fragte sich, wie es ihm wohl im Internat ergehen würde. Cosmo Cunningham hielt diesen Schritt jedoch für unabdingbar, um aus seinem Sohn einen Mann zu machen. Und seine Mutter schien das Ganze wenig zu kümmern, wenn sie überhaupt darüber nachdachte. Armer Bertie, er wollte nicht zu Fremden abgeschoben werden. Vielleicht, dachte Alice, vielleicht sind Bertie und ich gar nicht so verschieden.
    »Alice! Alice Parkin.«
    Alice sah nach oben. Da war Bertie und grinste durch eine der rautenförmigen Dachluken. Er hatte dort sein Geheimversteck, in dem er alle seine Schätze aufbewahrte. Sie winkte und schritt in ihren strapazierfähigen Stiefeln weiter Richtung Haus. Die Stiefel hatten ihren Vater fünf Schillinge gekostet und mussten mindestens zwei Jahre halten. Alice traute sich nicht, ihm zu sagen, dass sie ihr bereits wieder zu klein waren. Sie drückten so, dass ihr nachts die Füße schmerzten. Sie träumte von weichen, glänzenden Pantöffelchen, wie Mrs Cunningham welche besaß. Aber sie konnte nur davon träumen, das wusste sie. Es half ihr aber trotzdem, schließlich war sie erst zwölf.
    »Alice«, zischte Meggy warnend, als sie durch den Seiteneingang in die Küche schlüpfte. Es dampfte aus einem Topf auf dem großen schwarzen Herd, der die Küche ordentlich aufheizte. Mrs Gibbons stand mit roten Augen und einem verärgerten Gesichtsausdruck am Küchentisch und hackte Zwiebeln. Cosmo war im Parlament des Staatenbunds in Melbourne gewesen und wurde für heute Abend zurückerwartet. Mit Gästen natürlich.
    »Wo hast du gesteckt, Mädchen?«, wollte Mrs Gibbons wissen. »Schau, dass du dich bewegst. Sonst ist es Zeit fürs Abendessen, und nichts ist fertig.«
    Meggy zog eine Grimasse und setzte sich in ihre Ecke, wo sie Kartoffeln schälte. Alice folgte ihr.
    »Der Madam geht es nicht gut«, sagte Mrs Gibbons, seufzte und schüttelte den Kopf. »So eine reizende, empfindsame Dame. Ich bete jeden Sonntag für sie. Alice, du kannst ihr ein bisschen Brühe nach oben bringen. Pass auf, dass du nichts davon verschüttest.«
    Alice stand auf und trocknete sich die Hände nervös an ihrer Schürze ab.
    »Mach dich zurecht. Dein Haar ist so verstrubbelt wie das einer Aborigine«, fügte Mrs Gibbons
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