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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01
Autoren: Stephen R. Donaldson
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gedrückt, im Moment damit zufrieden, den Druck ihres festen Körpers an seinem zu spüren, den reinlichen Duft ihres Haars, die sanfte Glut ihrer Wärme. Ihr plötzliches Erschrecken hatte ihn verblüfft. Bevor er überhaupt begriff, was sie so beunruhigte, stand sie auf den Beinen und zog ihn mit sich vom Sofa hoch. Sie hielt seine rechte Hand zwischen ihnen empor, seine Infektion ans Licht, und ihre Stimme klang aus Ärger und Sorge brüchig. ›O Tom! Warum paßt du kein bißchen auf dich auf?‹ Danach vergeudete sie keine Zeit. Sie bat eine Nachbarin, sich an Rogers Bett zu setzen, und fuhr ihren Mann durch den leichten Februarschneefall zur Notaufnahmestation der Klinik. Dort verließ sie ihn nicht, ehe er in ein Krankenzimmer gelegt worden war und bereits zur Operation eingeplant. Gangrän lautete die vorläufige Diagnose.
    Joan verbrachte am nächsten Tag viel Zeit bei ihm in der Klinik, praktisch die gesamte Zeit, während welcher man ihn nicht irgendwelchen Untersuchungen unterzog. Und am folgenden Morgen holte man Thomas Covenant um 6 Uhr aus seinem Krankenzimmer zur Operation an der rechten Hand. Drei Stunden später kam er in seinem Krankenbett wieder zu Bewußtsein und besaß zwei Finger weniger. Die Benommenheit nach den Betäubungsmitteln umnebelte seinen Verstand noch für ein beträchtliches Weilchen, und er vermißte Joan erst am Mittag. Sie besuchte ihn den ganzen Tag lang nicht. Und als sie am darauffolgenden Morgen sein Krankenzimmer betrat, war sie verändert. Ihre Haut war bleich, als horte ihr Herz das Blut, und die Knochen ihrer Stirn schienen sich gegen die Haut zu stemmen. Sie wirkte wie ein gefangenes Tier. Über seine ausgestreckte Hand sah sie hinweg. Ihre Stimme klang leise und beherrscht; sie mußte Gewalt anwenden, um sich dazu zu zwingen, ihm bloß noch die Aufmerksamkeit ihrer Worte zu gewähren. Sie hielt von ihm Abstand, so weit wie es im Krankenzimmer möglich war, und starrte ausdruckslos zum Fenster hinaus, während sie ihn von der Neuigkeit unterrichtete. Die Ärzte hatten festgestellt, daß er an Lepra litt.
    Aus Überraschung war er völlig fassungslos. ›Du mußt dir doch wohl‹, sagte er, ›einen schlechten Scherz erlauben.‹
    Da fuhr sie herum und sah ihn an. ›Spiel jetzt hier nicht den Begriffsstutzigen!‹ schrie sie. ›Der Arzt sagte, er würde es dir beibringen, aber ich habe es abgelehnt, ich wollte es selbst tun. Ich habe dabei an dich gedacht. Aber aushalten ... aushalten kann ich's nicht. Du hast Lepra! Weißt du, was das bedeutet? Deine Hände und Füße werden dir abfaulen, deine Arme und Beine werden dir krumm und lahm, dein Gesicht wird so scheußlich wie ein moderiger Schwamm. Deine Augen werden Geschwüre bekommen, die Sehkraft wird nach einiger Zeit schwinden, und das alles kann ich unmöglich ertragen – dir dagegen wird's keinen Unterschied ausmachen, denn du wirst nichts fühlen können, verdammt noch mal! Und ... ach, Tom, Tom! Sie ist ansteckend!‹
    ›Ansteckend?‹ Als verstehe er nicht, was sie meinte.
    ›Ja!‹ fauchte sie. ›Die meisten Fälle entstehen dadurch ...‹ einen Moment würgte sie an der Furcht, die ihren Ausbruch begleitete, › ... daß die Erkrankten sich als Kinder ansteckten. Kinder sind anfälliger als Erwachsene. Roger ... ich kann nichts riskieren ... ich muß Roger davor schützen!‹
    ›Ja, natürlich‹, antwortete er, als sie aus dem Zimmer stürzte, die Flucht ergriff. Denn irgend etwas anderes hatte er dazu nicht zu sagen. Noch immer begriff er nicht richtig, was los war. Sein Verstand war wie weggeblasen. Erst Wochen später begann er allmählich zu erkennen, wieviel seiner selbst der Wind von Joans Heftigkeit ihm ausgetrieben hatte; und von da an war er schlichtweg entsetzt.
    Achtundvierzig Stunden nach der Operation schrieb Covenants Chirurg ihn reisefähig und schickte ihn ins Leprosorium in Louisiana. Während der Fahrt zum Leprosorium erläuterte der Arzt, der ihn vom Flugplatz abgeholt hatte, sachlich verschiedene oberflächliche Aspekte der Lepra. Das Mycobacterium leprae war erstmals im Jahre 1874 von Armauer Hansen entdeckt worden, aber die Erforschung des Bazillus scheiterte bisher stets daran, daß es den Forschern nicht gelang, zwei der vier Stufen in der Koch-Analyse durchzuführen: Noch niemand hatte den Mikroorganismus künstlich zu züchten vermocht, und noch niemand hatte exakt ermittelt, wie er sich übertrug. Gewisse neuere Forschungen von Dr. O.A. Skinsnes auf Hawaii sollten jedoch
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