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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Aussätzigen immer mit Widerwillen und Furcht begegnet – sogar unter jenen, die ihn zuvor am meisten liebten, war er wegen eines seltenen Bazillus, den niemand vorherzusehen oder abzuwehren vermag, ein Ausgestoßener, ein Ausgesetzter – eben ein Aus-sätziger. Lepra ist nicht tödlich, so daß der Durchschnittspatient durchaus noch einer Lebenserwartung von dreißig oder fünfzig Jahren als Leprakranker entgegenblicken kann. Diese Tatsache, verbunden mit der unerbittlich fortschreitenden Körperbehinderung, die mit dem Leiden einhergeht, macht die Lepraleidenden unter allen Kranken zu jenen, die am dringendsten des Beistands ihrer Mitmenschen bedürfen. Doch buchstäblich alle Gesellschaften verdammen ihre Leprakranken zur Isolation und Verzweiflung – denunzieren sie als Kriminelle und Degenerierte, Verräter und Unholde –, und sie werden aus den Reihen des Menschengeschlechts verstoßen, bloß weil die Wissenschaft bislang daran gescheitert ist, das Geheimnis ihres Übels zu entschleiern. In jedem Land dieser Erde, in einer Kultur nach der anderen rings um die Welt hat man den Aussätzigen als die Personifizierung all dessen betrachtet, was Menschen sowohl persönlich wie auch gemeinschaftlich fürchten und verabscheuen. Die Menschen reagieren so aus mehreren Gründen. Erstens erzeugt das Leiden eine Häßlichkeit und einen schlechten Geruch, die unbestreitbar widerwärtig und schier unerträglich sind. Zweitens vermögen die Leute trotz der generationenlangen Aussagen der Forschung einfach nicht zu glauben, daß eine so offenkundig scheußliche und mysteriöse Heimsuchung nicht übertragbar ist. Der Umstand, daß wir bezüglich des Bazillus konkrete Fragen nicht zu beantworten vermögen, verstärkt nur ihre Furcht – wir können nicht mit Gewißheit verneinen, daß womöglich Berührung, daß vielleicht Luft, Nahrung oder Wasser oder selbst bloße Mitleidsbekundungen die Krankheit übertragen. Mangels jeder natürlichen, nachvollziehbaren Erklärung für das Leiden legen sich die Menschen dafür eben andersgeartete Begründungen zurecht – sie sehen darin Beweise für Verbrechen, Schmutz oder Perversionen, den Ausdruck eines göttlichen Strafgerichts, eines Gottesurteils, das entsetzliche äußere Anzeichen einer psychischen, spirituellen oder moralischen Verdorbenheit oder einer Schuld. Und sie beharren darauf, es sei ansteckend, obwohl feststeht, daß die Übertragbarkeit selbst im Falle von Kindern wirklich minimal ist. Deshalb werden viele von ihnen das weitere Leben ohne eine einzige menschliche Stütze leben müssen, die ihnen die Bürde tragen hülfe. Das ist ein Grund, warum wir hier ein solches Schwergewicht auf die Beratung legen. Wir wollen Ihnen dabei helfen, mit der Einsamkeit fertig werden zu lernen. Zahlreiche jener Patienten, die diese Einrichtung verlassen, schöpfen ihre restlichen Jahre nicht bis zum Ende aus. Unter dem Schock ihrer Absonderung verlieren viele ihre Motivation, sie lassen ihre Selbstbehandlung schleifen, werden entweder aktiv oder passiv suizidgeneigt. Wenige finden sich rechtzeitig wieder hier ein. Jene Patienten, die überleben, finden irgendwo irgend jemand, der die Bereitschaft hat, ihnen beim Überleben zu helfen, oder sie finden irgendwo in ihrem Innern die Kraft zum Durchhalten. Welchen Weg Sie in Zukunft jedoch gehen mögen, an einer Tatsache wird sich nie etwas ändern: Von nun an bis zu Ihrem Ableben wird die Lepra der wesentlichste Einzelfaktor Ihrer Existenz sein. Sie wird in jeder Beziehung Ihr Dasein beherrschen. Vom Augenblick des Aufwachens bis zum Moment des Einschlafens werden Sie Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit allen harten Ecken und scharfen Kanten des Lebens widmen müssen. Davon dürfen Sie sich keine Erholung gönnen. Sie dürfen sich nicht mit Tagträumereien und Herumhängen entspannen. Alles, was drücken, stoßen, brennen, brechen, kratzen, reißen, stechen kann oder Sie schwächt, ist dazu imstande, Sie zu verletzen, zu verkrüppeln oder sogar umzubringen. Und das Nachdenken über all die Wege des Daseins, die Sie nicht länger beschreiten können, ist dazu geeignet, Sie zur Verzweiflung und zum Selbstmord zu treiben. Alles schon dagewesen.‹
    Covenants Pulsschlag raste, und sein Schweiß ließ die Laken und Decken an seinen Gliedern kleben. Die Stimme seines Alptraums blieb unverändert – sie gab sich keine Mühe, um ihn zu erschrecken, sie hatte kein Vergnügen an seiner Furcht –, aber ihre Worte klangen schwarz wie Haß, und hinter
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