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Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 03 - Die Schiffe von Merior
Autoren: Janny Wurts
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Gelächter aus. »Nun, sie werden mich wohl so nehmen müssen, wie ich gerade bin«, sagte sie mit vergnügt hochgezogenen Brauen. »Habe ich noch Zeit, mich zu waschen? Gut. Die Jäger sind unten in der Schlucht. Jemand muß ihnen folgen und meinem Enkelsohn berichten, was vor sich geht.« Dann, als sie an das Reh dachte, das zu sehr gebraucht wurde, um es einfach den Aasfressern zu überlassen, biß sie sich auf die Lippe.
    Der Botenjunge schlug ihr vor, an ihrer Stelle das Messer zu führen. »Gnädige Frau, ich kann das Tier zu Ende ausweiden.«
    Maenalle lächelte. »Guter Junge. Ich habe mir das auch schon überlegt, aber eigentlich sollte das Maiens Problem sein.«
    Ihre Stimmung war nun wieder gelöst genug, daß der Knabe sich entspannen konnte. »Gnädige Frau, wenn Ihr beide mit dem Gestank von Innereien am Leib der Delegation des Prinzen Arithon entgegentretet, so mögen die s’Gannleys sich einen üblen Ruf erwerben.«
    »Schlingel.« Maenalle überließ dem Knaben ihr Messer und holte zu einem Klaps gegen sein Ohr aus, unter dem sich das Kind hinwegduckte, um den blutverschmierten Fingern zu entgehen. »Vergiß den Titel, der Diener von Rathain ist kaum älter als du es bist. Wenn er beleidigt sein sollte, so werde ich seinen Kriegerhauptmann bitten, eine Birkenrute zu schneiden und ihm eine Tracht Prügel zu verabreichen.«
    Diese Worte schienen die passende Entgegnung zu sein, ehe Maenalle sich von der bewaldeten Hochebene zurückzog und sich zwang, ernsthaft nachzudenken. Frierend stieg sie in die vorzeitige Dämmerung der vom Sonnenlicht abgeschnittenen Schlucht, die ihre Clans während des Sommers als verborgene Zuflucht nutzten. Im stillen dachte sie an all die Jahre, die vergangen waren, ohne daß sie sie wirklich wahrgenommen hätte. Rotbart war nicht der Kosename eines Kindes. Jieret s’Valerient war nüchtern betrachtet gerade ein Jahr älter als Maien; kein Knabe mehr, wenn auch noch nicht ganz ein Mann. Da war es kein Wunder, daß ihrem jungen Kundschafter das Lachen im Halse steckengeblieben war, als sie Birkenruten und Prügel erwähnt hatte.
    Verdrossen, ihres Amtes als gestrenge Regentin entsetzlich müde, durchquerte Maenalle das staubige Lager, über dem der Gestank in der Sonne trocknender Häute lag, ohne unterwegs ein Wort des Grußes zu verschwenden. Sie stürzte in die unbequeme Hütte, die ihr als Quartier diente, riß sich die Ärmelstulpen von den Armen, die noch immer von der kurzen Wäsche im Fluß triefendnaß waren, und öffnete polternd den Deckel ihrer Kleidertruhe.
    Kurz schwebte ihre Hand über den gefalteten höfischen Kleidern, ehe sie mit eiserner Entschlossenheit zupackte. Nein, nicht das indigoblaue Gewand mit dem glitzernden, goldenen Sternenwappen. Statt dessen entschied sie sich für eine schlichte, schwarze Tunika von edlem Schnitt, die sie seit der Anfertigung gerade einmal getragen hatte. Wäre ihr wahrer Herrscher zugegen gewesen, so hätte sie auch das Zobelfell der Caithdeins getragen, das von jeher ein Symbol für die Anerkennung und Übergabe der Macht gewesen war.
    Noch immer war sie die Regentin Tysans, doch hielt sie dieses Amt nicht aus freien Stücken inne. Der prophezeite Sproß derer zu s’Ilessid war gekommen, seinen königlichen Titel zu fordern. Doch der Nebelgeist, für dessen Vernichtung er seine Gabe eingesetzt hatte, hatte sich gerächt und den Prinzen, Lysaer von Tysan, zu ewiger Feindschaft gegenüber Arithon, dem Herrn der Schatten, verflucht. Darum hatten die Bruderschaftszauberer, denen allein es oblag, den König zu krönen, seinen Anspruch auf den Thron bisher nicht anerkannt. Bekümmert bis ins Innerste wegen des Treuebruchs, der die Bruderschaft zu dieser Entscheidung gezwungen hatte, zog die Regentin und Dienerin des Reiches die schwarze Tunika über ihre feuchte Lederkleidung. Trotzig und entschlossen gürtete sie sodann ihr Schwert. Sollte ihre schwarze Kleidung die Gesandten Arithons von Rathain ruhig daran erinnern, daß die Loyalität der Clans von Tysan nicht allein ihrem Befehl unterstand, ganz gleich welche Verzweiflung sie hergetrieben haben mochte.
    Ein kurzes Klopfen ließ ihre Tür erbeben. Maenalle strich sich hastig mit den Fingern durch das Haar, das sie so kurzgeschnitten trug wie ein Krieger, und richtete sich gerade noch schnell genug auf, um einen gelassenen Eindruck zu vermitteln, als Lord Tashan seinen weißhaarigen Kopf hereinstreckte.
    Verärgert, schlug Maenalle zuerst zu. »Ich könnte hinausgehen und
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