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Der Fluch des Andvari (German Edition)

Der Fluch des Andvari (German Edition)

Titel: Der Fluch des Andvari (German Edition)
Autoren: Thomas W. Krüger
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stellte Wittek den Kasten auf das Kopfende des Altars und murmelte leise Worte. Schließlich klappte er die Seiten auseinander. Ein purpurnes Samtkissen mit einem goldenen Kelch obenauf zeigte sich. Ehrerbietig hob er das Kissen an und reckte es Hansen entgegen.
    „Die Stunde der Entscheidung ist gekommen“, entgegnete der Meister. „Das Leben besiegt den Tod.“ Langsam breitete er seine Arme aus, sein Blick glitt nach oben. „Oh, Odin, Vater der Götter. Wir rufen dich. Erhöre deine treuen Diener und schenke uns deine Gnade. Lass uns teilhaben an deiner Vollkommenheit.“
    Plötzlich fegte ein kräftiger Wind durch die Höhle, ließ Brünhilds Gewänder rascheln.
    Julia erschrak. Das Zittern hielt ihren Körper umklammert. Verzweifelt säbelte sie an dem Strick.
    „Nicht aufgeben, Prinzessin“, vernahm sie Röwers geflüsterten Worte. „Du schaffst das.“
    Sie ließ sich nicht ablenken und schaute immer wieder nervös nach den beiden Verbrechern.
    „Sei in unserem Kreis willkommen, edle Königin“, fuhr Hansen fort.
    Wittek stimmte ein: „Heil dir, Brünhild. Königin.“
    Dann wandte sich Hansen Hannah zu. Er berührte ihren Unterleib, strich über ihre Jeans und murmelte dabei rituelle Formeln. Sie zuckte unter den Berührungen. Wittek nahm den Kelch vom Samtkissen auf und wandte sich damit Hannahs Kopf zu. Brünhild gesellte sich zu ihm, hob das Schwert an, pries es den Göttern.
    „Heil dir, Odin“, lobte sie. „Herrscher der Welt, Denker und Lenker. Nimm nun diese Gabe als Zeichen meiner Ergebenheit.“
    Leise schrie Julia auf. Mit aller Kraft zog sie an dem Strick, die Fasern gaben nach. Jäh rissen sie. Hastig sprang das Mädchen auf und hastete zu dem Eisenring, an den Röwer gefesselt war. Flink säbelte sie mit dem Dolch an dem Strick, riss daran.
    Wittek reagierte. „Das Mädchen!“, schrie er.
    Brünhild stoppte mit ihrer Lobpreisung.
    Hansen sah auf. Seine dunklen Augen funkelten böse, als er Julias Befreiungsversuch sah. „Schnapp sie dir, Bernd!“
    Wittek eilte um den Altar herum, Hansen folgte, während Brünhild verharrte. Das Mädchen schrie auf. Röwer zerrte vehement an dem Seil, das endlich riss. Rasch streifte er die Fessel ab.
    „Gib das Rogatus“, sagte der Kommissar und drückte ihr einen Brief in die Hand.
    Dann warf er sich mit lautem Kampfschrei Hansen und Wittek entgegen. Julia lief zu Rogatus und begann, das Seil, das ihn an den Eisenring band, zu durchschneiden. Als der Hausdiener befreit war, riss er Julia den Brief aus der Hand und stürmte zum Altar. Keuchend wandte sie sich ihrem Großvater zu, der bereits ungeduldig an dem Seil zerrte.
    „Haltet ein!“, erschallte jäh Brünhilds Stimme.
    Erschrocken fuhr Julia herum. Die Walküre stand neben dem Altar, das erhobene Schwert zielte auf Hannahs Brust. „Sie stirbt!“
    „Nein“, hauchte Julia und stockte.
    Mit einem Mal waren all die Anstrengungen umsonst gewesen. Auch die Männer stoppten in ihrem Kampf. Julias Herz hämmerte. Hatten sie endgültig verloren? Plötzlich ertönte ein Schrei. Rogatus. Er war um den Altar herumgeschlichen und sprang auf die Walküre zu. Brünhild schrie überrascht auf, taumelte zurück, das Schwert entglitt ihren Händen.
    „Jetzt beenden wir es“, zürnte er.
    Röwer nutzte den Moment, wie Julia sah, und schlug Wittek hart ins Gesicht. Der Verleger stürzte zu Boden. Dann griff Hansen mit seinen Fäusten an. Der Kommissar wehrte geschickt ab. Die Männer prügelten sich. Ein letzter Schnitt und Julias Großvater war frei.
    „Jetzt befreie deine Mutter“, forderte er.
    Julia sprang auf und hastete zum Altar. Mit zitternden Fingern durchtrennte sie die Stricke, die ihre Mutter auf die Platte banden. Noch immer lag sie völlig apathisch da. Tränen traten Julia in die Augen.
    „Mami“, jammerte sie. „Wach auf.“
    Um sie herum tobten die Kämpfe.
    Behutsam schüttelte Julia ihre Mutter an den Schultern. Aber sie reagierte nicht. „Mami.“
    „Julia!“, hörte sie Rogatus rufen.
    Das Mädchen schaute gehetzt auf und sah, wie ihr Großvater und Rogatus mit Brünhild rangen. Die Walküre hatte einen Dolch in der Hand; Rogatus umklammerte ihr Handgelenk. Blut tropfte aus einer Wunde an seinem Arm. Ihr Großvater versuchte, Brünhild zu Boden zu zerren.
    „Die Rosen!“, rief Rogatus. „Im Rucksack!“
    Hektisch blickte sich Julia um, sah die Tasche schließlich neben dem Altar stehen. Schnell griff sie danach, riss den Reißverschluss auf und zerrte die Rosen heraus.
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