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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen
Autoren: Barbara Wood
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der
Briefträger an ihre Wohnungstür und überbrachte einen eingeschriebenen Brief
aus Israel. Nachdem sie Weatherbys Notiz gelesen hatten – etwas über
Zeitungsverleger und Museen und öffentlichen Bekanntmachungen –, setzten Ben
und Judy sich an den Schreibtisch, um die letzte Rolle zu übersetzen.
    Ben schien gelassen und
gemächlich, und man hätte tatsächlich meinen können, daß er den Moment
hinauszögern wollte, wohingegen Judy sehr beunruhigt war. Sie starrte wie
gebannt auf den inneren Umschlag, während sie eine Frage nicht mehr losließ.
Was wird aus uns werden, wenn die letzte Rolle erst einmal gelesen ist?
    Sie schaute Ben an und sah
den friedlichen Ausdruck auf seinem Gesicht, den sie als Davids innere Ruhe
erkannte. Wo auch immer Benjamin Messer hingeschickt worden war, wo immer Bens
gequälter und von Schuldgefühlen geplagter Geist auch beerdigt sein mochte, der
Mann an ihrer Seite war nun ein glücklicherer Mensch geworden. Und das war alles,
was sie wollte.
    Aber was wäre, fragte sie
sich mit nagender Angst, was wäre, wenn ihn allein die Rollen mit der Identität
verbänden, die er angenommen hatte? Und was wäre, wenn dieser zarte Faden –
weil es die letzte Rolle war oder weil der Inhalt dazu angetan sein könnte –
zerreißen würde?
     
     
    In den darauffolgenden vier
Jahren wuchs der Zwist in der Stadt ins Unermeßliche.
    An dem Tage, da Prokurator
Gessius Florus den Tempelschatz plünderte, erhoben sich Hunderte von Juden in
hellem Zorn. Um den Aufstand zu ersticken, sandte der Prokurator römische
Truppen in alle Teile der Stadt, brutale Männer, die alles taten, um die
Revolte niederzuschlagen, und viele Juden wurden getötet und verwundet. Als die
Nachricht von diesem Ereignis sich über das ganze Land verbreitete, erhoben
sich immer mehr organisierte Gruppen von Zeloten gegen unsere Oberherren und
erschlugen die Römer, wo immer sie sie antrafen.
    Wo es einst
gelegentliche Überfälle aus dem Hinterhalt und Sabotage gegeben hatte, wurde
nun offen Krieg geführt. Kaiser Nero schickte seinen besten General Vespasian,
um dem Aufstand ein Ende zu bereiten, und in allen Städten Judäas, Syriens und
Idumäas wurde sehr viel gekämpft. Galiläa wurde am schwersten getroffen, da die
römischen Truppen durch dieses Gebiet anrückten, und erlitt schreckliche
Verluste. Meine Brüder verließen ihre Familien, um sich den Streitkräften der
Rebellen anzuschließen. Später hörte ich, sie seien im Kampf für Zion gefallen.
Was mit meiner Mutter und meinem Vater geschah, werde ich wohl nie erfahren.
    Zu jener Zeit brodelte
Jerusalem vor Angst, vor Haß und vor Blutgier, doch es wurde nur wenig
gekämpft. Wir standen tatenlos da und warteten ab, was mit den Städten
passieren würde, durch die das römische Meer auf uns zumarschierte.
    Wir hörten von vielen
Heldentaten in diesen Schlachten. Tausende von Juden, nur die Hälfte von ihnen
Zeloten, kämpften mit allen Waffen, die ihnen zur Verfügung standen, um Israels
Oberhoheit wiederherzustellen.
    Indes wußte ich im Herzen,
daß sie unrecht hatten, denn allein der König von Israel würde unsere Fesseln
lösen, und er war noch nicht zu uns zurückgekehrt.
    Dieses erklärte ich Saul, der
eines Nachts spät bei uns erschien, mir ein Schwert in die Hand drückte und
meinte: »Die Stunde des Kampfes ist gekommen, Bruder!«
    Doch ich lehnte die Waffe ab
und sprach: »Wenn ich mich jetzt bewaffnete und auf den Feind losschlüge, dann
wäre es vor Gott ein Zeichen von Treulosigkeit. Ich glaube daran, daß der
Messias kommen wird; ich glaube an das Versprechen, das Gott seinen Kindern
gegeben hat; und ich glaube, daß der neue König von Israel uns an diesem Tag
befreien wird.«
    »Du bist ein halsstarriger
Narr«, erwiderte Saul. Und es verletzte mich tief.
    So kam es, daß mein Bruder
und ich uns auf schlimme Weise entzweiten.
    Die Nachricht von Kaiser
Neros Tod in Rom ließ Vespasian zurückeilen, um an der Bürgererhebung um den
leeren Thron teilzunehmen. Uns im Osten wurde jedoch keine Atempause gewährt,
denn an seiner Statt sandte er seinen Sohn Titus, einen unbarmherzigen, hartgesottenen
Mann.
    Je mehr Städte in der Provinz
besiegt wurden und je näher das römische Heer rückte, desto größer wurde die
Angst in Jerusalem.
    Unsere Brüder, die in dem
Kloster am Salzmeer lebten, verließen ihr Zuhause und zerstreuten sich über das
Land, und man erzählte uns, sie hätten ihre heiligen Schriftrollen in Tonkrügen
tief in den um das
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