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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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etwas mit ihm bereden wollte, das keine Zuhörer duldete, und nickte zustimmend. So versäumten sie zwar das Mahl in der Halle, aber sicher würde er den Küchenmägden noch etwas abschwatzen können.
    Roland übernahm es, den Waffenmeister um die Erlaubnis zu einem Ausritt zu bitten. Mürrisch musterte Hartmut die beiden.
    »Ich verbürge mich für ihn«, versuchte der junge Ritter, den Älteren höflich zu überzeugen.
    »Das ist, als erkläre sich die Ziege bereit, auf den Kohlkopf aufzupassen«, murrte der Waffenmeister. »Ich hoffe, du findest ein paar eindringliche Worte, um deinem jungen Freund klarzumachen, dass alle, die ich hier ausbilde, ihrem Ungeschick und ihrer Faulheit zum Trotz, einmal auf
einer
Seite kämpfen werden – für Otto und später für seinen Erben!«
    Hartmut sah Thomas scharf an. Der murmelte zwar »Ja, Herr!«, aber die widerspenstigen Gedanken schienen ihm auf die Stirn geschrieben.
    »Ich war dabei, Bursche, als dein Vater starb, und du warst es auch!«, blaffte er den angehenden Ritter an. »Also solltest du dich daran erinnern, dass es
nicht
Rutger war und dein Stiefvater die Mörder gefasst und getötet hat. Lass die alten Geschichten endlich ruhen und Gott für Gerechtigkeit sorgen, wenn du meinst, sie sei noch nicht gewährt. Der Markgraf kennt keine Gnade, wenn er erfährt, dass sich seine eigenen Ritter untereinander bekriegen.«
    »Ja, Herr«, wiederholte Thomas und gab sich alle Mühe, seine Ungeduld zu verbergen. Diese Predigt hatte er schon oft zu hören bekommen und hätte einiges dagegenzuhalten. Zum Beispiel, dass sein Vater erst gerächt war, wenn der Mann starb, der den Befehl zu seiner Ermordung gegeben hatte. Dass der Hass und die Durchtriebenheit, mit der ihm Rutger vom ersten Tag an begegnet war, jegliche Freundschaft oder wenigstens eine Zusammengehörigkeit als Waffengefährten unmöglich machten. Und dass die vielen Feindseligkeiten unter Ottos Rittern ihn anwiderten und seine Achtung vor dem Stand, dem er bald angehören würde, ernsthaft auf die Probe stellten.
    Doch das behielt er klugerweise für sich.
    Hartmut warf ihm einen letzten mahnenden Blick zu, dann wandte er sich wieder Roland zu und ordnete an: »Keine Dummheiten, keine Streiche, keine Raufereien! Vor Einbruch der Nacht seid ihr zurück, um die Pferde kümmert ihr euch selbst.«
    Erleichtert bedankten sich die beiden jungen Männer für die gnädig gewährte Erlaubnis. Noch vor ein paar Jahren hätte ihnen allein die Frage eine schallende Ohrfeige und zusätzliche Arbeit eingebracht. Aber nun, da Roland seine Schwertleite schon hinter sich hatte und die von Thomas wohl noch dieses Jahr stattfinden würde, wurden ihnen ein paar mehr Freiheiten zugestanden. Vermutlich dachte Hartmut, sie wollten ins Hurenhaus in der Stadt gehen.
    »Morgen bei Sonnenaufgang sehe ich euch voll gerüstet im Sattel«, knurrte Hartmut, bevor er sie entließ. »Ihr gehört zur Geleitmannschaft, wenn der Markgraf nach Döben reitet, um den Burggrafen aufzusuchen.«
     
    Kurz darauf gingen die beiden jungen Männer zu den Ställen, versorgt mit einem halben Laib Brot und einem Stück Schinken, wofür Roland eine der Mägde mit einem Lächeln und einem Hälfling bezahlt hatte. Er überlegte, immer noch in sich hineingrinsend, was wohl den Ausschlag gegeben hatte.
    Mit tausendfach geübten Griffen sattelten sie ihre Pferde; beides Hengste aus dem Gestüt von Rolands Vater Raimund, der auf seinem Landgut im Muldental Pferde und Schafe züchtete.
    Thomas ritt einen schnellen, aber äußerlich unauffälligen Braunen, weil es ihm als Knappen nicht zustand, edlere Pferde als die Ritter zu besitzen. Roland hatte zu seiner Schwertleite von seinem Vater einen kostbaren Rappen geschenkt bekommen – ein Nachfahre des Tieres, das Thomas’ Vater Christian einst geritten hatte.
    Von neugierigen Blicken verfolgt, passierten die jungen Männer das Tor und lenkten ihre Pferde die engen, gewundenen Gassen Meißens hinab, bis sie Stadt und Burgberg ein Stück hinter sich gelassen hatten.
    Über das Ziel für ihren Ausritt mussten sie sich nicht lange verständigen: ein Stück an der Elbe entlang und dann einen Hügel hinauf, von dem aus sich ein atemberaubender Blick auf den Fluss, die Stadt und den Burgberg bot. Thomas kannte die Stelle schon aus der Zeit, als sein Vater noch lebte. Dies war einer seiner Lieblingsplätze gewesen, wenn er hier in Meißen war.
     
    Sie saßen ab und ließen die Pferde grasen. Es war ein warmer
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