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Der Fluch der Halblinge

Der Fluch der Halblinge

Titel: Der Fluch der Halblinge
Autoren: Prisca Burrows
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Sie selbst nannten sich aus anderen Gründen Halblinge, aber die beachteten die Großen nicht.
    Fionn entdeckte schon in der nächsten Gasse ein weiteres Gasthaus mit einem großen Hof und mehreren Eingängen. Wenn er einen der Knechte abpasste, konnte er vielleicht um etwas zu essen betteln, als Gegenleistung für seine Hilfe. Knechte machten es sich gern bequem, wenn sie jemanden hatten, der ihre Arbeit erledigte, und ein bisschen Essen aus der Küche zu beschaffen, konnte nicht so schwer sein.
    Nicht lange nachgedacht, gehandelt – und er marschierte drauflos. Sein Magen knurrte immer ärger. Auch Durst quälte ihn. Seit dem frühen Morgen war er durch die Stadt gerannt, noch vor dem Frühstück hatte er fliehen müssen. Daran konnte er gar nicht oft genug denken und musste es ständig wiederholen, weil es immer noch so unfassbar erschien.
    Fionn hörte es plätschern, und da sah er eine Tränke, an der sich einige Kutschpferde gütlich taten. Gespeist wurde sie aus einem ständig laufenden Hahn.
    Frisches Wasser! Fionn schien es das köstlichste Geräusch der Welt zu sein, und er spürte schon die prickelnde Kühle auf der Zunge. Es war gerade niemand in der Nähe, also sollte er es wagen.
    Die Pferde hielten kurz beim Saufen inne, spitzten die Ohren und hoben die Köpfe, als sich ihnen etwas näherte, das sie nicht gleich erkannten. Doch als sie begriffen, dass dieses Wesen eher klein war und nicht wie ein Raubtier roch, schnaubten sie kurz und hielten die Schnauzen wieder ins Wasser.
    Fionn murmelte beschwichtigende Worte; ganz geheuer waren ihm diese großen Tiere nicht, aber immerhin befand sich die Tränke zwischen ihnen. Er war schon ganz nah, konnte die Feuchtigkeit auf seinen Wangen spüren … und dann streckte er die Zunge aus und ließ den Wasserstrahl darauf laufen, trank mit geschlossenen Augen gierig in großen Schlucken. Da wurde er am Kragen gepackt und zurückgerissen.
    Fionn verschluckte sich und hustete, spürte keinen Boden mehr unter den Füßen und starrte mit angstgeweiteten Augen in das Gesicht eines Menschenmannes. Es war schmutzig wie seines, die Haut grobporig, die Nase vom Alkohol gerötet, und der Gestank von Schnaps wehte mit dem Atem aus dem Mund. Der Mann trug einen schlabbrigen Filzhut, ein löchriges Hemd und eine ebenso löchrige Hose und zeigte ein Grinsen voller Zahnlücken.
    »Nun sieh mal einer an, was haben wir denn da?«
    »Wovon sprichst du?«, erklang eine zweite Stimme aus dem Hintergrund, und dem jungen Bogin rutschte das Herz hinab in die Hose.
    Für einen Augenblick glaubte Fionn, den Räubern wiederzubegegnen, doch diese beiden waren noch abgerissener und sehr viel älter. Was seine Lage kaum erleichterte.
    Der zweite Mann sah demjenigen, der Fionn immer noch festhielt, ähnlich, nur dass er gar keine Zähne mehr besaß und keinen Hut trug.
    »Ach, schau an«, sagte er. »Brüderchen, da haben wir heute wohl das große Los gezogen.«
    »In der Tat. Wenn wir den nicht zu Geld machen können, dann will ich ab sofort Thumble heißen.«
    »Wenn du bitte die Güte hättest, mich herunterzulassen, guter Mann«, bat Fionn.
    Die beiden Brüder lachten. »Und eine gewählte Aussprache hat er auch noch!«, rief der eine, der Thumble heißen wollte. Und der andere, der Zahnlose: »Wird dir etwa schwindlig in dieser Höhe?«
    »Ich bitte euch.« Fionns Beine zappelten, und seine Finger wanden sich um den erbarmungslosen Griff des Menschen.
    »Na gut.« Der Mann mit dem Filzhut setzte ihn unsanft ab. »Bürschlein, was machst du hier so allein? Wo ist dein Herr?«
    Fionn war versucht zu antworten »im Gasthaus«, aber er verschluckte diese Worte gerade noch rechtzeitig. Diese Lüge würde sofort aufgedeckt. Ihm fiel nicht ein, was er sonst sagen könnte; das Lügen war er einfach nicht gewohnt. Ab und zu mal eine kleine Schwindelei als Kind, wenn es um die Kekse in der Vorratskammer ging, oder um ein paar Äpfel im Garten. Doch lügen … das lag einem Bogin fern. Es gab keinen Grund dazu.
    Thumble, der ihn immer noch im Nacken festhielt, schüttelte ihn. »Los, gibt Antwort!«
    »Ach, lass ihn«, sagte sein Bruder. »Sieh ihn dir an. Der ist weggelaufen!«
    »So, machst deinem Herrn also auch noch Schwierigkeiten, indem er dich nicht den Palastwachen übergeben kann, was? Wahrscheinlich ist dein Herr deswegen an deiner Stelle verhaftet worden!«
    Fionn wollte es nicht hoffen. »Bitte, ich wollte nur ein wenig Wasser schöpfen und dann weiterziehen …«
    »Weiterziehen?« Die
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